0753 - TV-Dämonen
hatte.
Doch die bärbeißige Empfangsdame grinste nur abfällig. Wahrscheinlich bekam sie jeden Tag weitaus Schlimmeres zu hören. »Soll ich den Sicherheitsdienst rufen, oder schwirren Sie von allein ab?«
Wortlos wandte Zamorra sich ab und ging. Doch nur wenige Meter weiter blieb er stehen. Wenn Fournier niemanden an sich heranließ, musste er es eben mit anderen Mitteln versuchen.
Von einem abgestellten Lkw vor neugierigen Augen geschützt, konzentrierte sich der Parapsychologe und wurde ›unsichtbar‹. Zamorra hatte diesen Trick vor vielen Jahren von einem tibetischen Mönch gelernt. Er war zwar nicht wirklich unsichtbar, ließ aber seine körpereigene Aura nicht mehr aus den Grenzen seiner körperlichen Abmessungen hinaus. Andere Menschen konnten ihn so nicht mehr wahrnehmen, solange sie ihn nicht zufällig berührten. Er war ihrem Gesichtsfeld quasi entglitten.
Unbeobachtet ging Zamorra zur Pforte zurück und wartete. Gelangweilt las die brünette Aufpasserin in einer Frauenzeitschrift und feilte sich dabei die Fingernägel. Gelegentlich pustete sie den Nagelstaub von der Zeitschrift, wobei das meiste in ihrer Kaffeetasse landete, die sie mit großen Schlucken genussvoll leerte.
Fasziniert sah Zamorra zu, bis ihn ein Mercedes ablenkte, der mit quietschenden Reifen vorfuhr und auf einem der Parkplätze vor dem Gebäude zum Stehen kam.
Ein smarter Jungtaanagertyp sprang heraus. Er war höchstens Anfang dreißig und sah aus, als würde er den größten Teil seiner Freizeit im Fitness-Studio verbringen.
»Guten Morgen, Monsieur Rollin«, flötete der Zerberus. Es klang, als gurgele sie mit rostigen Nägeln.
»Guten Morgen, Michelle. Ist der große Meister da?«
»Seit einer Stunde. Soll ich ihm Bescheid sagen, dass Sie da sind?«
»Nein, lassen Sie mal. Ich werde ihm noch früh genug über den Weg laufen.«
Zamorra musste fast lachen. Offenbar war Fournier auch bei seinen eigenen Leuten nicht allzu beliebt.
Als Michelle den Türöffner betätigte, hatte Monsieur Rollin einen unsichtbaren Schatten. Da Zamorra vermutete, dass der smarte Jüngling zur Chefetage gehörte, heftete er sich auch weiter an seine Fersen. Rollin würde ihn schon in die Nähe von Fourniers Heiligtum führen.
In dem nach außen hin fast unbelebt wirkenden Gebäude herrschte überraschend viel Aktivität. Perfekt gestylte Geschäftsfrauen eilten von einem Termin zum nächsten, junge Anzugträger schleppten riesige Aktenberge hin und her. Alles vermittelte den Eindruck größter Professionalität.
Hinter Jean Fourniers freakiger Fassade verbarg sich offenbar ein wie geschmiert laufendes Unternehmen. Zum ersten Mal kamen Zamorra Zweifel. Lag diesem florierenden Geschäft wirklich ein dunkles Geheimnis zugrunde?
Keiner dieser Leute sah so aus, als sei er je einem Dämon gegenübergetreten oder als würde er die Existenz übernatürlicher Mächte auch nur für wahrscheinlich halten.
Doch Zamorra wusste, was er gesehen hatte.
Die Tricktechnik mochte sich in den letzten Jahren gnorm verbessert haben, doch niemand wusste, wie Dämonen wirklich aussahen. Und niemand wusste, wie sie starben. Es sei denn, er hatte es gesehen. Das waren keine Effekte gewesen. Was Fournier im Fernsehen gezeigt hatte, war echt.
In der ersten Etage betrat Rollin ein Büro, an dessen Tür sein Name mit dem Zusatz Personalchef prangte.
Sackgasse, dachte Zamorra.
In dem Moment hörte er das Brüllen.
»Und wag es ja nie wieder, mir mit so einem Scheiß zu kommen!«
»Aber Jean, ich dachte…«, antwortete eine erstickende Frauenstimme.
Rollin knallte die Tür zu. Offenbar war er nicht zum ersten Mal Zeuge einer derartigen Auseinandersetzung.
Zamorra freute sich immer mehr auf die Begegnung mit diesem Jean Fournier.
Die Stimmen kamen aus einem benachbarten Büro, dessen Tür offen stand. Der Flur war leer. Zamorra wurde wieder ›sichtbar‹, »Es ist dein Job, dafür zu sorgen, dass die PR-Leute vernünftige Arbeit machen. Wenn du das nicht kannst, bist du halt die Falsche in dem Job, so einfach ist das«, fauchte Fournier.
Jetzt konnte Zamorra die beiden sehen. Das Mädchen war gerade mal Anfang zwanzig. Mit ängstlichen Rehaugen starrte sie ihren tobenden Chef an.
Trotz des geschäftsmäßigen Umfelds sah er genauso wild und unberechenbar aus wie im Fernsehen. Er trug zerschlissene schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem blutroten Aufruck ›I hope you die‹. Das blonde Haar stand wirr von seinem schmalen Schädel ab, und in seinen Augen
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