0755 - Blutnacht für Assunga
erhellt waren, duckte er sich jedesmal, wenn er in deren Nähe entlangschlich. Er wollte auch nicht durch die Haupteingänge das Haus betreten, er hatte sich auf den Wirtschaftstrakt spezialisiert. Dort würde er hineinschleichen und seine Opfer finden, und keiner würde ihn zu Gesicht bekommen.
Er war ein Geschöpf der Nacht, und er würde die Nacht für sich arbeiten lassen.
Vor der Tür blieb er stehen. Um diese Zeit war der schmale Eingang an der Seite verschlossen. Ein Windstoß brachte den Geruch von Sommerblüten in seine Nähe. Er saugte ihn auch ein und stellte sich vor, daß es der Geruch von süßem Blut war.
Aus der Tasche holte er die Schlüssel. Manuel genoß das Vertrauen der Besitzer. Er konnte das Haus durch jede Tür betreten, was ihm nun zum Vorteil gereichte.
Sehr behutsam schloß er auf, drückte sich durch den Spalt und blieb inmitten der Finsternis stehen, die zu seinem großen Freund geworden war. Er fand sich im Dunkeln zurecht. Das war früher noch anders gewesen. Manuel wußte auch, daß Carmen und ihre beiden Besucher noch nicht zurückgekehrt waren. Besser konnte es für ihn nicht laufen. Wenn sie dann heimkehrten, pulsierte in seinem Körper schon das fremde Blut, dann war er satt und stark. Der Gedanke daran ließ ihn vor Freude stöhnen…
***
Da standen die sechs abgeschlagenen Köpfe in Reih und Glied vor ihr auf dem Bett, und Carmen tat nichts. Sie schrie nicht, sie jammerte nicht, sie weinte auch nicht.
Die Frau stand einfach nur da und dachte an nichts.
Irgendwann hob sie den rechten Arm und wischte mit der Handfläche über ihr Gesicht hinweg. Es war eine beinahe zärtliche Geste, doch sie brachte keinen Erfolg. Als sie die Hand wieder sinken ließ, da hatte sie es nicht geschafft, den Anblick wieder zu verwischen.
Die sechs Köpfe standen noch immer dort!
Sie hatte das Licht brennen lassen. Der alte Lüster, ein sehr wertvoller Gegenstand, streute seine Helligkeit über die Schädel hinweg, so daß Carmen fast jedes Detail bei ihnen ausmachen konnte.
Sie sah die furchige Haut, die aufgeplatzten Lippen, die eingetrocknete Flüssigkeit, die wie Schimmel aussah und in der Farbe gut zu dem wilden Gestrüpp auf dem Kopf paßte.
Sie sah auch die Augen.
Verdreht, kalt und künstlich. Sie hatte nicht jeden Kopf beim ersten Versuch glatt abschlagen können, deshalb standen einige schief und schauten sie aus einem spitzen Winkel her an.
Das war einfach furchtbar.
Carmen schluckte. Allmählich kam sie wieder zu sich, ohne den Schock vollends überwunden zu haben. Aber sie schaffte es, einigermaßen klar nachzudenken, und dabei mußte sie nur eins und eins zusammenzählen, um zu einem Ergebnis zu gelangen.
Jemand hatte ihr Versteck entdeckt und die Köpfe daraus entfernt. Aber wer?
Eine einfache Frage, doch keine einfache Antwort. Sie wußte auch nicht, wer dahinterstecken konnte. Es gab keinen Menschen, dem sie so etwas zutraute, wenigstens keinen, der sie kannte und der sich hier im Haus aufhielt.
Namen schossen ihr durch den Kopf.
Sie dachte an den Diener, die Köchin, auch an den Gärtner, und beinahe hätte sie über sich selbst gelacht. Nein, diese Menschen gehörten schon zur Familie. Über Jahre hinweg versahen sie ihren Dienst, keiner von ihnen würde es wagen, die Cavallos zu hintergehen.
Und doch standen dort die Schädel. Es waren die gleichen, die sie im Keller aufbewahrt hatte, sie konnte sich noch gut an jedes Gesicht erinnern.
Allmählich fiel ihr auch der Geruch auf, der durch das große Zimmer wehte.
Er war einfach widerlich und wurde von den sechs Köpfen abgesondert. Eine Mischung aus Fäulnis und brackigem Wasser. Der widerliche Verwesungsgestank trieb ihr den Magen hoch, und sie schüttelte sich, als würde ihr schlecht werden.
Was sollte sie tun?
Das Fenster war geschlossen. Wenn jemand die Schädel gebracht hatte, war er durch die Tür gekommen.
Also doch jemand vom Personal?
Der Gedanke daran regte sie auf. Carmen wollte sich auch nicht näher damit befassen, hob jetzt beide Arme, ballte die Hände zu Fäusten und preßte sie gegen die Stirn. »Nein, verflucht, nein. Ich nehme das nicht so hin! Ich habe die Vampire vernichtet. Es ist vorbei! Es muß einfach vorbei sein!«
Das aber war es nicht. Es hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt, und zwar schlimmer als zuvor. Es war gleichzeitig wie eine Säure, die nicht an einer Stelle blieb, sondern sich ausbreitete und ihr gesamtes Denken überspülte.
Sie höhlte sie aus, sie sorgte dafür, daß
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