0755 - Blutnacht für Assunga
zujagte…
***
Ich aber hielt eine Sterbende in den Armen. Ich war kein Arzt, aber ich hatte meine Erfahrungen sammeln können, wann ein Mensch soweit war, daß es für ihn keine Hoffnung mehr auf Leben gab.
Der Fall war bei Carmen eingetreten.
Jemand weinte. Nicht sie, sondern Lorna, die Köchin. Carmen kümmerte sich um mich. Ihr Gesicht war verzerrt und schweißnaß. Die Schmerzen wühlten in ihrem gesamten Körper. Ich schaute von oben her in ihr Gesicht, auch mir war zum Heulen zumute, zugleich spürte ich in mir einen irrsinnigen Zorn.
Plötzlich lächelte sie. Es war das Lächeln einer Todgeweihten, die sich noch einmal zusammenriß, um sich mit den letzten Worten von der Welt zu verabschieden. Und die richtete sie an mich.
»Diesmal hatte ich wohl recht gehabt, John…«
»Ja…«
»Wir hätten sie töten sollen…«
Ich nickte.
»Aber du bist kein Mörder, John.« Sie faßte nach meiner Hand und umklammerte sie. »Ich bin auch keine Mörderin, weißt du…«
»Natürlich.«
»Obwohl ich es wollte. Ich hatte es einfach versuchen müssen. Ich hätte sonst niemals Ruhe gehabt, aber es war… es war nicht so leicht wie bei den alten Vampiren. 0 Gott, ich hätte nicht so haßerfüllt sein dürfen, sondern kälter. Mein Schwert… ihre Kraft… sie hat es geschafft, die Waffe umzudrehen. Ich konnte nicht mehr…« Carmen senkte den Blick und schaute auf die Klinge.
Sie steckte noch im Leib der halb sitzenden Frau, die ihren Hinterkopf gegen mich, den Knieenden, gelehnt hatte. Ich suchte nach tröstenden Worten, aber Carmen war schneller.
»Wer durch das Schwert tötet, der kommt durch das Schwert um«, sagte sie leise. »Ich habe sie geköpft. Ich weiß aber nicht, ob ich es bereuen soll. Ich wünsche, daß mir der Allmächtige verzeiht. Bin ich jetzt schlecht?«
»Nein, Carmen«, sagte ich leise, »das bist du nicht. Du… du hast der Menschheit einen Dienst erwiesen.«
Beim Luftholen hörte ich sie röcheln und rechnete damit, daß es zu Ende war. Mit sehr schwacher Stimme stellte sie noch eine Frage, die ihr wichtig erschien. »Der Menschheit einen Dienst erwiesen, sagst du?«
»So ist es.«
Plötzlich konnte sie lächeln. Es war ein verklärtes Lächeln, als hätte sich ihr Blick bereits in der anderen Welt verfangen, die nun auf sie wartete. »Ja, der Menschheit einen Dienst erwiesen, John. Das ist gut… das ist gut so…«
Dann starb sie.
Ich blieb sitzen, ich konnte mich einfach nicht rühren. Ich hörte das leise Weinen der Köchin und vernahm dann die Tritte meines Freundes. Er blieb neben mir stehen und legte eine Hand auf meine Schulter.
»Es war wohl nicht deine und meine Schuld.«
»Das sagt sich später alles so leicht.«
»Doch, John, glaub es mir.«
Ich drehte den Kopf und ließ ihn behutsam zu Boden sinken. Augen ohne Glanz schauten gegen die Decke.
Ich schloß die Augen.
Suko hatte das Schwert aus der Wunde gezogen. Er legte es auch auf das Bett. Dann drehte er sich um und hob etwas anderes in die Höhe. Außen schwarz und innen gelb.
Assungas Mantel.
Wir empfanden beide keinen Triumph. Ich stand auf und sagte: »Es ist gut, daß wir ihn haben, aber Carmen macht dieser Mantel auch nicht mehr lebendig.«
»Da hast du leider recht, John.«
Dann verließen wir den Raum und nahmen Lorna, die Köchin, mit…
ENDE des Zweiteilers
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