0756 - Tod über der Tunguska
Dankbarkeit für die Unterstützung hatte der Minister ihn mit unbegrenzter Gültigkeit versehen. Und keiner seiner Nachfolger hatte bisher daran gedacht, das einer Prüfung zu unterziehen und den Ausweis unter Umständen zurückzufordern.
Zwischen dem Machtkampf in der Hölle und der Zerstörung des Cottages waren auch noch die Unsichtbaren wieder einmal auf den Plan getreten, die sich nun schon längere Zeit zurückgehalten hatten. Plötzlich waren sie wieder da und trieben auf der Erde ihr Unwesen. Zamorra hatte es in Australien mit ihnen zu tun bekommen.
Dann war noch ein Geschöpf aufgetaucht, das anderen Menschen deren verbleibende Lebenszeit absaugte, um selbst länger weiterleben zu können. Dieser ›Zeitsauger‹ hatte speziell, in Zamorra ein unglaubliches Potenzial zu erkennen geglaubt. Immerhin gehörte Zamorra zu den wenigen Auserwählten, die relativ unsterblich waren. Sie konnten durch Gewaltanwendung getötet werden, aber sie erkrankten nie und sie alterten nicht. Seit Zamorra und auch seine Gefährtin Nicole vom Wasser der Quelle des Lebens getrunken hatten, waren sie keine Minute mehr gealtert, seit mittlerweile über 20 Jahren…
Aber immerhin hatte Zamorra auch die Attacke des Zeitsaugers überlebt.
»Teilweise mit mehr Glück als Verstand«, fügte er seinem Bericht über die Ereignisse der zurückliegenden Wochen hinzu.
»Das Glück ist eben mit den Tüchtigen«, sagte Saranow unbescheiden. Der Zwei-Zentner-Mann breitete sich auf einem Barocksofa aus. Zamorra und Nicole genossen die Bequemlichkeit zweier Sessel aus derselben Stilepoche.
Der Schlossherr bestellte bei Butler William Tee, zu Ehren des Besuchers aus dem riesigen Teetrinker-Reich im Osten. Dann beugte Zamorra sich gespannt vor.
»Was gibt es Neues in deiner Welt, Boris? Hat die DYNASTIE DER EWIGEN wieder einen Agenten in russische Geheimdienstkreise einschmuggeln können?« [4]
Der russische Parapsychologe lächelte, als ob er gerade in eine Zitrone gebissen hätte.
»Das nicht gerade, Brüderchen Zamorra. Es geht vielmehr um dich.«
»Um mich?« Zamorra hob überrascht die Augenbrauen.
»Genau. Um dich und um eine Reise, die du gemacht hast. Vor langer Zeit, wohlgemerkt.«
»Du spannst mich auf die Folter, Boris. Wohin soll ich denn gereist sein?«
»An die Tunguska. An die Steinige Tunguska, genauer gesagt.«
Für einen Moment herrschte Stille in dem eleganten Salon von Château Montagne. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können.
Tunguska.
Sowohl Zamorra als auch Nicole wussten natürlich, was sich mit dem Namen dieses ansonsten wenig bekannten sibirischen Flusses verband.
Nur Fooly blickte mit seinen runden Augen verständnislos drein.
»Was ist Tunguska?«
»Tunguska heißt ein Fluss in Sibirien. Dort fand im Frühsommer 1908 die wohl größte kosmische Katastrophe des 20. Jahrhunderts statt.«
»Am 30. Juni 1908, um genau zu sein«, ergänzte Saranow.
Dann sprach Nicole weiter. »Es gab damals mehr als neunhundert Augenzeugen für merkwürdige Lichtphänomene am Himmel. Vor allem wird immer wieder ein zylindrisches Objekt erwähnt, das gleißend hell wie Sonnenlicht gewesen sein soll. Dieses Objekt flog zunächst von Süd westen nach Nordosten, änderte aber mehrfach die Richtung. Schließlich verloren alle Zeugen es aus den Augen.«
»Und dann?« Aus Foolys Nasenlöchern schlugen vor lauter Aufregung die Flämmchen hervor. »Was geschah dann?«
»Das zylindrische Objekt wurde nicht mehr gesehen.« Zamorra übernahm nun den Erzählfaden. »Aber gleich darauf gab es eine Explosionsserie. Und zwar eine von unvorstellbaren Ausmaßen. Man schätzt, dass die Energie von 2.000 Hiroshima-Atombomben freigesetzt wurde. Noch in tausend Kilometern Entfernung bebte die Erde. Und es gab einen Lichtblitz, eine Helligkeit, wie sie in der überlieferten Menschheitsgeschichte wohl noch nie vorgekommen ist. Selbst in entfernten. Städten wie London konnte man bei Nacht Zeitung lesen, weil es so hell war! Die Explosionswelle an der Tunguska verwüstete über 2.000 Quadratkilometer Waldgebiet.«
»Wahnsinn!« Fooly war erschüttert. »Aber was ist denn dort nun explodiert?«
»Darüber streitet sich die Wissenschaft bis heute«, nahm Nicole nun wieder den Faden auf. »Und auch viele Laien haben ihre Lieblingstheorie. Am Wahrscheinlichsten ist wohl ein Meteoriteneinschlag. Aber warum sollte ein Meteorit die Flugbahn wechseln? Außerdem hinterlassen Meteoriteneinschläge Krater, und davon kann keine Rede
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