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0756 - Tod über der Tunguska

0756 - Tod über der Tunguska

Titel: 0756 - Tod über der Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Clement
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Dämonenjäger kannte die Geheimdienste. Er hatte schon oft das zweifelhafte Vergnügen, ihre Bekanntschaft zu machen. Da machte es keinen Unterschied, ob die Spione im 19. oder im 21. Jahrhundert ihr Unwesen trieben. Geheimdienste hatten ihre eigene Logik und standen über dem Gesetz.
    Wenn er sich verhaften ließ, würde er in einem dunklen Kerker landen und keine Möglichkeit haben, die Tunguska-Katastrophe zu beeinflussen. Das konnte das Ende der Welt bedeuten, wie er sie kannte.
    Also tat Zamorra das einzig Mögliche.
    Er trat dem Schnurrbartträger vors Schienenbein und flankte über die Sitzbank. Die alte Frau schrie entsetzt auf und rief etwas in ihrer tungusischen Muttersprache.
    Die anderen Sargträger zückten ihre Revolver. In dem vollbesetzten Wagon brach eine Panik aus.
    »Nicht schießen!«, brüllte der Schnurrbärtige mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Der General will die Ratte lebend haben!«
    Zwar verfügte Zamorra über die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, doch die für das Ritual notwendige Muße würden die Geheimagenten ihm garantiert nicht lassen. Sie hatten ihn in die Zange genommen und drangen von zwei Seiten auf ihn ein.
    Obwohl es die Männer in den Gehröcken auf Zamorra abgesehen hatten, kamen ihnen die Passagiere des Dritte-Klasse-Wagons in die Quere. Viele von ihnen glaubten offenbar an einen Überfall. Sie rafften ihre Habseligkeiten zusammen und verfluchten die Geheimagenten in den verschiedenen mongolischen Sprachen, die zwischen Irkutsk und Jakutsk gesprochen werden. Manche zückten sogar ihre Messer, um sich gegen die vermeintlichen Räuber zu verteidigen.
    Der Schnurrbärtige holte nun ebenfalls seinen Revolver aus der Tasche. Er schoss in die Luft.
    »Ruhe hier! Ich bin Hauptmann Koljew vom Geheimdienst Seiner Majestät des Zaren! Wer sich nicht sofort ruhig verhält, wird es für den Rest seines Lebens bereuen!«
    Die Drohung schockte die Passagiere. Wie die allermeisten Russen jener Zeit fürchteten sie die Obrigkeit mehr als Tod und Teufel. Armee, Polizei und Geheimdienst waren die Instrumente, mit denen der Zar seine Untertanen in Schach hielt. Und derjenige, den sie in die Finger bekamen, hatte nichts zu lachen. Gleichgültig, ob er schuldig war oder nicht. Das hatte sich schon nach der gescheiterten Revolution von 1905 gezeigt.
    Und darum wurden die aufgebrachten Bauern, Fellhändler, Jäger, Tagelöhner und Marktweiber schlagartig lammfromm und ließen sich wieder auf ihre harten Holzbänke fallen.
    Nur Zamorra blieb in Bewegung. Er drängte sich zwischen den Sibiriern hindurch, versuchte einen der Ausgänge des Eisenbahn-Wagons zu erreichen. Zwei Agenten stellten sich ihm in den Weg. Sie griffen ihn gleichzeitig an.
    Zamorra rammte dem einen schwarz Gekleideten den Knauf seines Spazierstocks gegen die Schläfe und legte so den Zaren-Schergen schlafen. Sein Kollege war etwas fixer. Er hob den rechten Arm, um dem Dämonenjäger seinen Revolverknauf über den Schädel zu ziehen.
    Zamorra steppte zur Seite und schlug dem Agenten gleichzeitig in die kurzen Rippen. Der Kerl rang nach Luft. Noch ein Kung-Fu-Tritt gegen die Knie, und der Ochrana-Mann knallte auf den Wagonboden.
    Zamorra sprang über ihn hinweg. Da warf sich ihm jemand auf den Rücken! Und dieser Gegner war so massig, dass er mit seinem Gewicht den Dämonenjäger zur Seite riss.
    Zamorra knallte mit dem Kopf gegen den Rand einer Holzbank. Für Momente sah er nur noch Sterne.
    Eine Atempause, die für seine Gegner mehr als ausreichte. Der Kerl auf Zamorras Rücken nahm ihn in den Schwitzkasten.
    Zamorra rammte ihm den Ellenbogen in die Seite. Das heißt, er versuchte es. Aber da hatte sich schon ein anderer Agent genähert, der sein Handgelenk packte und verdrehte.
    Ein heißer Schmerz jagte durch die Nervenbahnen des Dämonenjägers, nahm ihm für einen Moment den Atem.
    Mit einer blitzschnellen Drehung schaffte es Zamorra, den Würgegriff zu lockern. Er trat nach hinten aus und erwischte den schwarz Gekleideten, der ihm das Handgelenk verdreht hatte.
    Nun sah Zamorra auch, wer auf seinem Rücken gelandet war. Hauptmann Koljew, der schnurrbärtige Befehlshaber des Geheimdienst-Trupps.
    Zamorra holte aus, um ihn mit einem Handkantenschlag seiner unverletzten linken Hand außer Gefecht zu setzen. Doch dazu kam es nicht mehr.
    Mit einer Schnelligkeit, die Zamorra dem schweren Mann nicht zugetraut hätte, ließ Koljew seinen Revolverknauf gegen Zamorras Schädel krachen, und bei dem Dämonenjäger gingen die

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