0759 - Werwolf-Wahnsinn
John Sinclair eintreffen würde, ließ ihn den Fluch, der ihm auf der Zunge lag, runterschlucken.
Für eine Weile blieb er auf dem Bettrand sitzen und starrte ins Leere. In seinem Kopf brummte es.
Bruchstückhaft tauchten Szenen aus den Träumen der zurückliegenden Nacht auf, verwischten aber sofort, so daß er sich an nichts mehr erinnern konnte. Es war auch besser so, sonst hätte er sich zu schlecht gefühlt.
Er stand auf.
Das Zimmer war noch von seinem Schlafgeruch erfüllt. In Sichtweite stand die Whiskyflasche. Er stellte sie wieder in den Schrank, öffnete das Fenster und war froh, die frische Luft einatmen zu können, die tief in seine Lungen drang.
Es war eine herrliche Luft, noch nicht erwärmt, kühl durch die Brise am Morgen geworden, die von See her über die Stadt wehte und sein Gesicht streichelte.
Er sah das Gewässer zwar, leider nur einen Teil davon. Die Insel war von seinem Platz aus nicht zu erkennen. Als er an sie dachte, preßte er die Lippen zusammen. Die Erinnerung wühlte sich wieder hoch, seine Augen brannten plötzlich, er dachte an die Bestie und die mit einem Schwert bewaffnete Frau, die er für einen Moment im Licht der Taschenlampe gesehen hatte.
War es tatsächlich die Verfluchte gewesen, wie sein Freund Blochin behauptet hatte?
Es hatte sich alles sehr vage angehört. Tatsache aber war und blieb auch, daß es diesen riesigen Werwolf gab, vor dem er sich in acht nehmen mußte, und der eine Familie auf dem Gewissen hatte.
Golenkow wußte nicht, wann Oleg aufstand. Er jedenfalls wollte sich durch ein Bad den Schweiß vom Körper waschen, denn in der Nacht hatte er geschwitzt.
Als er an das fast schon eisige Wasser dachte, schüttelte er sich, aber da mußte er durch. Handtücher lagen in der Waschküche, das wußte er. Nur in Shorts bekleidet ging er den Weg nach unten. Ihm fiel die Ruhe in dem Haus auf. Wahrscheinlich schlief Oleg Blochin noch, doch auch von Irina, seiner Frau, hörte er nichts. Bisher war immer nur von ihr gesprochen worden, zu Gesicht bekommen hatte er sie nicht, und das wiederum wunderte ihn. Er empfand es sogar als sehr seltsam. Oleg schien seine Gattin vor ihm zu verstecken.
Einen Grund dafür konnte sich Golenkow nicht vorstellen. Seine Gedanken beschäftigten sich nicht mehr mit diesem Problem, als er die Waschküche betrat. Die Tür protestierte, als er sie aufdrückte.
Schnell fröstelte er, aber es hatte keinen Sinn, hier den Waschlappen zu spielen, da mußte er einfach durch.
Die beiden gleichgroßen Bottiche, in denen auch die Wäsche gewaschen wurde, lagen dicht nebeneinander. Eine dünne, graue Wand trennte sie.
Er ließ Wasser einlaufen.
Eiskalt schäumte es in das viereckige Gefäß mit dem aufgerauhten Boden. Die Gänsehaut wollte nicht weichen, und Wladimir ließ sich schon jetzt das kalte Wasser über die nackten Arme laufen, um sich daran zu gewöhnen. Wenig später stieg er hinein und hatte das Gefühl, sich zwischen kantige Eisstangen zu quälen, die von allen Seiten gegen ihn drückten. Die Luft wurde ihm knapp. Als er einatmete, fing er an zu zittern, seine Zähne schlugen aufeinander, aber er gewöhnte sich auch an diese Kälte. Zudem wollte er sich beeilen, seifte sich ein, tauchte wieder unter, spülte sich ab und wusch mit derselben Seife auch seine Haare.
Als er aus dem Bottich stieg und nach dem Handtuch griff, um sich abzureiben, da überkam ihn tatsächlich der Eindruck, neu geboren zu sein. Die Temperatur im Keller empfand er als angenehm, ihm war warm, und er rubbelte mit dem Handtuch so heftig über seine Haut, daß sie an gewissen Stellen Rötungen bekam.
Das Geräusch der sich öffnenden Tür bekam er wie am Rande mit, erschrak aber und drehte sich hastig um.
Oleg Blochin stand angezogen im Raum und grinste ihn schief an. »Na, aufgewacht?«
Wladimir nickte. »Himmel, du hast mich erschreckt. Du bist ja richtig reingeschlichen.«
»Überhaupt nicht.«
Golenkow frottierte seine Haare. Danach kämmte er sie mit den Fingern zurück, stieg in frische Shorts und nickte seinem Freund zu. »Wie sieht es aus? Hat Irina das Frühstück schon zubereitet?«
Blochin lächelte. »Es ist fertig, aber auf Irina wirst du noch verzichten müssen.«
»Warum? Was ist los mit ihr?«
»Sie hat schon gegessen.«
»Ach ja?«
Blochin nickte. »Sie steht immer früh auf. Heute ist Markt. Sie will etwas einkaufen. Du weißt ja, wenn man zu spät kommt, ist oft nichts mehr da.«
»Ja, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, wie
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