076 - Die Jenseitskutsche von Diablos
durch die nächtliche Stille des alten, grotesken
Innenhofes, der rechteckig und sehr lang war. Das Echo ihrer eigenen Stimme
antwortete ihr. Petra Strauß verließ die Kutsche endgültig. Noch mal musste sie
sich vergewissern, ob das Gefährt keine Erscheinung war, sondern sich wirklich
berühren ließ. Deutlich spürte sie die hölzerne, dunkel lackierte Oberfläche.
Die Deutsche ging zwei Schritte nach vorn, um einen Blick auf den Kutschbock zu
werfen. Der war leer...
Vor die Kutsche waren zwei Rappen gespannt. Ihre
Körper waren schweißbedeckt und dampften. Petra Strauß fühlte sich unbehaglich.
Daran war nicht nur allein der strenge Wind schuld, der durch den Hof pfiff,
ihre Haare zerzauste und ihren dünnen Morgenmantel flattern ließ. Der bot kaum
einen Schutz gegen die hier herrschende Kälte. Die Entführte ging durch den
dunklen Hof der Maurenburg, ihr Ziel war die niedrige Mauer. Petra Strauß’
Lippen entrann ein Stöhnen, als sie die Tiefe und Weite vor sich sah. Die Burg
lag auf einem windumtosten Berggipfel. Minutenlang starrte Petra Strauß in die
Dunkelheit und auf die Weite der Hügel, die nicht enden wollten. Als sie sich
wieder umwandte, zuckte sie zusammen. Der Burghof war leer, und die Kutsche
verschwunden...
●
Die Frau gab sich einen Ruck. Irgendjemand musste hier
sein, hier oben leben. Hatte Bazo nicht etwas von einer Herberge erwähnt, die
gern auch von jungvermählten Paaren aufgesucht wurde? Erstens wegen der rustikalen,
originellen Umgebung und zweitens wegen der unvergesslichen Kutschfahrt. Petra
Strauß war entschlossen, das Geheimnis zu lüften. Nichts geschah ohne Grund.
Vielleicht erlaubte sich jemand einen makabren Scherz mit ihr. Die Menschen in
den umliegenden Dörfern waren sehr arm. Die Kutsche und die Herberge in der
Maurenburg waren möglicherweise für eine mehrköpfige Familie das einzige
Kapital, um hin und wieder ein paar neugierige, abenteuerlustige Touristen
anzulocken. Wenn die nicht freiwillig kamen, half man ein wenig nach, mit einer
zugegebenermaßen ausgefallenen, aber recht wirksamen Methode. Eine Methode
allerdings, die alles andere als spaßig war und die Grenze des Erlaubten
überschritt.
Der rechteckige Hof war weiter vorn terrassenförmig
abgestuft. Petra Strauß musste höllisch aufpassen, um auf dem rauen, holprigen
Untergrund nicht den Halt zu verlieren. Der Boden war mit Mulden und
Schlaglöchern übersät, und auf der anderen Seite ragten unvermittelt dicke
Steinbrocken hervor, dass man fast darüber stolperte. Die Entführte erreichte
mehr schlecht als recht die andere Seite des Hofes. Die war freundlicher
gestaltet und erinnerte sie ein wenig an die Innenhöfe der weltbekannten
Alhambra, die über der Stadt Granada auf der anderen Seite des Berges existierte
und eines der besterhaltenen Bauwerke aus maurischer Zeit war. Auf der anderen
Seite war der Hof durch ein einstöckiges Gebäude begrenzt.
Die dunklen Fenster und Türen vermittelten den
Eindruck, dass niemand hier lebte. Konnte sie den Hof durch eine der Türen
verlassen? In der Hauswand neben der großen Mitteltür, auf die sie zustrebte,
waren bunte Mosaiksteine eingesetzt, die stilisiert eine junge Frau an einem
Brunnen mit Wasser speienden Löwenköpfen erkennen ließen. Selbst in der
Dunkelheit war dies infolge des hellen Untergrundes des Mosaiks einigermaßen
gut erkennbar. Petra Strauß hielt den Atem an. Sie hörte leise Musik. Seltsame,
fremdartige Klänge, wie sie entstanden, wenn auf einem Blas- und einem
Saiteninstrument gleichzeitig gespielt wurde. Die Klänge kamen aus dem Innern
des Hauses, das an einen zweiten eckigen Turm anschloss, den sie
in der Dunkelheit gegen den schwarzen Himmel anfangs gar nicht wahrgenommen
hatte. Bei einem Blick über die Mauer ließ sich mehr ahnen als sehen, dass der
Turm auf einem tieferen Abschnitt der terrassenförmig angelegten Maurenburg
begann.
Er lag mindestens zwanzig Meter tiefer, und hohe, tief
aus dem Fels geschlagene Treppen führten dorthin. Ihre Hauptaufmerksamkeit aber
richtete Petra Strauß auf die Klänge. Sie kamen hinter dem Mitteltor hervor.
Petra Strauß lauschte und legte dann ihre Hand auf die große Bronzeklinke, die
einen Löwenkopf darstellte. Die Tür ließ sich öffnen. Dahinter folgte ein hoher
Korridor. Er war nicht mal finster, wie im ersten Moment zu vermuten gewesen
wäre. In einer Wandnische stand eine flache Schale, in ihr wurde Öl verbrannt.
Das unruhig flackernde Licht warf bizarr geformte Figuren
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