0760 - Chaos in der Koboldwelt
Einhornfühlte sie sich innerlich verbunden.
Sie liebte es heiß und innig. Es war die einzige Konstante in ihrem Dasein.
Manchmal huschten Erinnerungsfetzen durch ihr Gedächtnis, und sie kannte Sprachen und hatte Fähigkeiten, von denen sie nicht wusste, wann sie sie jemals erlernt hatte. Magie hasste sie -auch die Kraß, von der sie wusste, dass sie sie hatte.
Sie ritt zwischen den Dimensionen, an einen Ort, zu dem es sie hinzog. Eva spürte, dass sie ihre Umgebung bald verlassen würde. Sie klammerte sich an der Mähne des Einhorns fest.
Sie spürte die Wärme des Einhornkörpers, seine Bewegungen. Und dann war da ein grelles Licht, das Eva in den Augen schmerzte. Sie stürzte - oder materialisierte.
Aber wo…?
***
Ein Wiehern ertönte. Als Nicole aus dem Fenster sah, erblickte sie das Mädchen im Fantasy-Kostüm auf dem Einhorn. Die goldenen Augen des Einhorns blickten die Dämonenjägerin an. Es warf den Kopf hoch, dass seine Mähne flog und das lange gewundene Horn zum Himmel ragte. Es deutete auf den Regenbogen.
Nicole staunte. Das musste Eva sein, aber sie sah viel jünger aus als bei ihrem letzten Zusammentreffen. Das seltsame Mädchen blickte Nicole an und zögerte.
Es schien, als ob sie wieder davonreiten wollte.
Nicole trat aus der Tür und streckte ihr die Hand entgegen. »Eva, willkommen. Sitz ab!«
»Heiße ich so?«, fragte das Mädchen. »Wo bin ich hier? Willst du mit mir spielen?«
»Du warst schon einmal bei uns, Eva. Du kannst dich nur nicht daran erinnern. Tritt ein!«
Eva, wie sie in Ermangelung eines besseren Namens genannt wurde, zögerte. Doch schließlich kletterte sie von dem Einhorn, das vor dem Lokal in der »mostache’schen Seenplatte« stehen blieb. Der Regenbogen begann zu verblassen. Eva betrat das Lokal erst, nachdem sie sich misstrauisch umgeschaut hatte.
Eva grüßte die Anwesenden mit einem Nicken. Die vier Koboldinnen schienen sie nicht besonders zu verwundern. Ja, sie empfand sogar eine kindliche Freude, als sie sie sah. Auch ihr Geist hatte sich zurückentwickelt, und für eine Zwölfjährige waren Koboldfrauen und Zwerge entzückend, obwohl diese sie nicht mehr so faszinierten wie ein noch jüngeres Kind.
»Wer ist das?«, fragte Eva, als sie vor dem sterbenden Zamorra stand.
»Zamorra. Er ist sehr krank«, sagte Nicole. »Er stirbt. Du bist die Einzige, die ihn retten kann. Bitte hilf ihm!«
»Wie soll ich das anfangen?«
»Du hast Para-Kräfte«, sagte Nicole. »Du saugst magische Energie in dich auf.« Dass Eva diese irgendwann unkontrolliert wieder von sich geben musste, erwähnte sie nicht. »Ein magisches Gift steckt in Zamorras Körper. Zieh es ihm heraus!«
»Ich will diese Kraft nicht gebrauchen! Ich hasse sie!«, erwiderte Eva heftig. Sie wusste, dass es so war.
»Tu es, bitte! Sonst stirbt Zamorra. Er ist dein Freund, du warst bei uns in Château Montagne zu Gast. Das ist das Schloss auf dem Berg, das du draußen siehst.«
»Ich weiß nichts davon. Warum sollte ich das tun? Ich bin euch nichts schuldig.« Eva blickte in Nicoles flehende Augen. Die Gäste des Lokals, der Wirt, sogar die vier Koboldinnen bestürmten sie mit Bitten.
Eva war viel kleiner und zierlicher geworden, seit Nicole sie zuletzt gesehen hatte. Ihr Gesicht war kindlicher, wie es einer Zwölfjährigen entsprach. In ihre langen blonden Haare hatte sie weiße Blumen geflochten. Dabei wirkte sie sehr gesund und robust, ein Fantasy-Kind, aus einem Film entsprungen.
Doch eines mit gewaltigen Kräften und sehr rätselhaft.
Weshalb wird sie immer jünger? , fragte sich Nicole.
Mit einem Mal merkte sie, dass Eva immer widerspenstiger wurde, je mehr man sie bestürmte, und gebot Ruhe. Die Bitten und Vorhaltungen verstummten.
»Es ist deine Entscheidung, Eva«, sagte Nicole.
Plötzlich lächelte Eva. »Und was bekomme ich dafür?«
»Alles.«
Eva dachte kurz nach. »Einen hübschen Sattel und Zaumzeug für mein Einhorn? Euer Schloss besichtigen? Es ist lange her, seit ich das letzte Mal in einem richtigen Schloss zu Gast war.«
»Woher weißt du das? Erinnerst du dich?«
»N-nein, aber… Ich weiß es eben.«
Erinnerungsfetzen huschten durch Evas Gehirn. Ein Wald mit knorrigen, verwachsenen Eichen. Eine Burg hoch oben auf einem Felsen. Ein langbärtiger alter Mann im weißen Gewand, der sich auf einen langen Stab stützte. Caermardhin.
Ich will heim, dachte Eva.
Dann war wieder alles wie weggewischt.
»Wir werden deine Wünsche erfüllen«, sagte Nicole. Sie legte Eva
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