0763 - Strigen-Grauen
sich darüber, denn ihm ging zuviel Zeit verloren. Trotz hochsommerlicher Temperaturen ballte sich in London der Verkehr, als hätte es alle Welt darauf abgesehen, gerade an diesem Tag London zu besuchen.
Das paßte ihm nicht in den Kram. Daran ändern konnte er nichts, und so quälte er sich weiter und übte sich in Geduld.
Sein Ziel war eine Bücherei. Sie lag in einer wenig belebten Straße und war in einem alten Haus untergebracht worden. Zur wuchtigen Eingangstür führte eine breite Treppe mit dunklen Eisengeländern hoch. Mitten auf der Treppe saßen zwei Kinder und aßen Eis. Dabei schien ihnen die Sonne in die Gesichter und ließ das Eis rasch schmelzen. Die Kinder schauten nicht auf, als Suko an ihnen vorbeiging, vor der Tür seine Schritte stoppte und auf einen metallenen Klingelknopf drückte.
Schräg über sich sah er etwas Rundes, Gläsernes in der Mauer, das nur mäßig versteckte Auge einer Überwachungskamera. Wahrscheinlich checkten sie ihn jetzt ab. Aus einem für ihn nicht sichtbaren Lautsprecher hörte er eine Stimme.
»Bitte treten Sie ein.«
Suko öffnete die Tür, die erstaunlicherweise nicht mehr verschlossen war.
Er gelangte in eine angenehm kühle Halle. Er sah eine Treppe als breites Halbrund in die Höhe führen, doch das interessierte ihn nicht, denn die Halle glich einem Büro, in dem sich drei Schreibtische an verschiedenen Stellen verteilten.
Hinter zweien von ihnen saßen Männer. Der dritte gehörte einer Frau, bei der ein Elternteil aus Asien stammte. Sie strich ihr lackschwarzes Haar zurück, lächelte Suko an und verwies ihn an den älteren der beiden Männer, einen Knaben, furztrocken wie ein Buchhalter, dazu sehr korrekt gekleidet und nicht einmal in dünnen Sommersachen.
Der Mann nickte Suko zu und setzte die Brille mit dem billigen Gestell auf. Dann strich er über seinen knochigen Nasenrücken und fragte gleichzeitig: »Sie sind dieser Inspektor, nicht wahr?«
»Ja, ich bin dieser Inspektor!« wiederholte Suko, gab seinen Ausweis ab, den der Furztrockene gründlich betrachtete und ihn dann wegschloß. Suko schaute mittlerweile hinüber zu den drei Monitoren, die friedlich nebeneinander standen und allesamt mit Druckern verbunden waren.
Der Trockene hieß Johnson. Er räusperte sich, um Suko auf sich aufmerksam zu machen. »Sie können die Akte Sanders einsehen, aber es ist Ihnen verboten, sie zu kopieren oder sie außer Haus zu schaffen. Haben Sie das verstanden?«
»Nein«, sagte Suko.
Johnson erblaßte.
»Geben Sie das Ding schon her. Sie tun ja, als wollten Sie das Königreich retten, Sie allein.«
»Jeder hat hier seine Aufgabe, Inspektor. Das sollten Sie sich mal merken.«
»Ich weiß es.«
Er hörte, wie die Frau kicherte, aber verstummte, als Johnson ihr einen, scharfen Blick zuwarf.
Dann bekam Suko die Akte Sanders ausgehändigt und durfte sich damit gnädigerweise zurückziehen, allerdings blieb er unter der Kontrolle des Chefs hier, denn der Sessel, in den sich Suko setzte, stand in Johnsons Blickrichtung.
Er schlug die Akte auf.
Sie war schon älter und schien muffig zu riechen.
Zuerst durchsuchte er die persönlichen Daten des Mannes. Sehr schnell blätterte er weiter. Sanders war ein Hundesohn gewesen, der tatsächlich für zwei Seiten gearbeitet hatte. Aber letztendlich mehr für die Engländer, die ihn deshalb nicht auf die schwarze Liste gesetzt hatten.
Sie hatten ihn sogar unterstützt, denn vor einigen Jahren war er zur Kur gewesen.
Darüber stolperte Suko. Er kannte sich zwar mit den Lebensläufen von Agenten nicht aus, aber eine Kur gehörte wohl nicht zu den Dingen, die an der Tagesordnung waren.
Drei Monate hatte die Kur gedauert. Es war kein ausländisches Sanatorium gewesen, sondern eines im Lande, südlich von London in Sichtweite der Küste, wo die Landschaft noch in Ordnung war.
Es war nicht beschrieben, an welcher Krankheit der Agent gelitten hatte, was Suko etwas störte, denn darüber wollte er mehr wissen. Er erfuhr es auch auf den nächsten Seiten nicht, klappte die Akte dann zusammen und stand auf.
Johnson schaute ihm entgegen. »Sind Sie schon fertig?« fragte er.
Suko legte ihm die Akte auf den Schreibtisch. »Ja, Mister, das war alles.«
»Dann hoffe ich, daß Sie zufrieden waren.«
»Überhaupt nicht.«
Johnson, der die Akte hatte an sich nehmen wollen, zog seine Hand wieder zurück. »Was hat Ihnen denn nicht gefallen?«
»Es war nur wenig informativ.«
»Dafür kann ich nichts.«
»Das glaube ich Ihnen
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