0764 - Der Wall um die Welt
Adens verjagten die drei Dutzend Menschen, die Tagers Reden lauschten, betäubten ihn durch einen Strahlschuß und schleppten ihn in die Festung. Als er wieder zu sich kam, sah er zum erstenmal in das Gesicht des Diktators.
Die Berichte waren wahr gewesen. Es war die Fratze eines Teufels, die ihn anstarrte, wütend und unbeherrscht, ohne einen Funken von Mitleid oder Verständnis.
„Du bist ein Rebell! Du hast die glücklichen Menschen aufgehetzt! Ich verurteile dich zum Tod durch den Grollschlund!"
Das war die ganze Verhandlung gewesen.
Tager war nicht einmal nach seinem Namen gefragt worden, und er selbst hatte kein einziges Wort der Verteidigung hervorbringen können. Er wußte nun, wie gerecht sein Widerstand gewesen war, und nur deshalb bereute er es, so unvorsichtig gewesen zu sein, denn nun würde der Gruppe ein Kämpfer fehlen.
Sie schleppten ihn durch dunkle Gänge in einen abgelegenen Teil der schwer bewachten Festung, die er nun kannte. Aber sein Wissen würde ihm nichts mehr nützen, denn bald war er tot.
Einen Augenblick lang dachte er an seine Freunde, aber dann war ihm klar, daß sie ihm nicht helfen konnten. Bisher war jeder Versuch gescheitert, einen Gefangenen des Herrschers zu befreien.
Er wurde in einen kahlen Raum geworfen, in dem es fürchterlich stank. Eine stählerne Tür knallte zu und wurde von außen verschlossen. Es war dunkel, denn der schmale Entlüftungsschacht brachte kein Licht und kaum Luft.
Das also ist das Ende eines Traumes, dachte Tager und hockte sich auf den verschmutzten Boden. Vor ihm mußten schon andere Gefangene hier auf ihren Tod gewartet haben.
Dann entsann er sich der Gereiztheit seiner Wächter, die ihn hierher gebracht hatten. Ihren Bemerkungen glaubte er entnehmen zu können, daß draußen vor dem Wall etwas Außergewöhnliches geschehen war. Sie hatten sich beeilt, ihn in den Kerker zu werfen, weil andere Aufgaben auf sie warteten.
Das Exekutionskommando wurde davon nicht berührt. Es würde pünktlich erscheinen und ihn wegführen - zu einem Grollschlund.
Wie lange noch"..?
Er mußte eingeschlummert sein, trotz seines Hungers und der kaum atembaren Luft, denn sie waren plötzlich ohne jede Vorwarnung bei ihm und rissen ihn auf die Füße.
„Komm mit, du hast es bald hinter dir", sagte einer von ihnen.
Es war also soweit!
Er wehrte sich nicht, als sie ihn zwischen sich nahmen und mitschleppten. Bald verließen sie den Bereich der isolierten Festung, und zum letztenmal flackerte die Hoffnung auf Befreiung in Tager auf. Hier war das Operationsgebiet der Gruppe. Aber das Exekutionskommando bestand aus einem Dutzend schwer bewaffneter Männer, und niemand konnte ahnen, wie viele heimlich aufgestellte Posten es noch gab, die den letzten Gang eines „Verräters" beobachteten und damit auch überwachten.
Tager spürte in der Nase den beißenden Schwefelgeruch.
Sie näherten sich ihrem Ziel.
Der Grollschlund war größer als die meisten anderen, und er stieß dichte, gelbe Schwaden aus, die nach oben stiegen und irgendwo verschwanden, so als würden sie abgesaugt. In der Tiefe aber war ein ständiges unterirdisches Grollen, das wie eine Drohung klang. Man vermeinte, das Kochen der Lava hören und den Feuerschein des Magmas sehen zu können.
Die Männer des Exekutionskommandos schienen es eilig zu haben, vielleicht aber hatten sie auch so etwas wie Mitleid mit dem Mann, den sie töten sollten, jedenfalls geschah etwas völlig Überraschendes.
Ohne jede Vorwarnung und ohne ihren Triumph auszukosten, einen Gegner umbringen zu dürfen, stießen sie Tager in den Abgrund.
Tager spürte nur noch den kräftigen Stoß in den Rücken, taumelte, verlor das Gleichgewicht und hatte plötzlich keinen festen Boden mehr unter den Füßen.
Er sah nur in der Tiefe einen rötlichen Feuerschein, und dann.
*
Perlat blieb zurück und sorgte dafür, daß ihnen niemand in den Geheimgang folgen konnte, der unmittelbar beim Schlund endete.
Tolot und Collanzor beeilten sich, denn sie hörten Schritte. Sie kamen von vorn, dort, wo der Grollschlund sein sollte.
Tolot war für den Ausgang des Ganges zu breit. Er mußte den alten Mann vorlassen, konnte aber den Rand des Schachtes sehen, der als Hinrichtungsstätte diente.
Und dann geschah alles viel zu schnell, als daß jemand etwas dagegen hätte tun können.
Der Verurteilte blieb vor dem Schachtrand stehen, und gleichzeitig fast gab der hinter ihm stehende Mann ihm einen so kräftigen Stoß in den Rücken, daß
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