0764 - Schrei, wenn dich der Teufel holt
Chef?«
»Ja.«
Zamorra versuchte, den Gestank einzuordnen. Höllischer Schwefel war es nicht, der den Mief verursachte. Und dann fiel es ihm ein.
Es roch nach verbrannten Leichen!
Andererseits war weit und breit kein verkohlter Körper zu sehen. Auch Flammen nahm der Dämonenjäger nicht wahr. Das musste allerdings nichts bedeuten. Die Finsternis wurde nämlich nun so intensiv, dass Zamorra noch nicht einmal mehr Nicole erblicken konnte. Obwohl sie unmittelbar neben ihm stand.
Die verbrannten Leichen hätten unmittelbar vor Zamorra auf dem Gehweg liegen können, ohne dass er sie wahrgenommen hätte.
Zu dem schauerlichen Pestodem kam nun auch noch die passende Geräuschkulisse. Metallisch scheppernde Musikinstrumente veranstalteten einen ohrenbetäubenden Lärm, eine fremdartige, böse und nervenzerfetzende Melodie.
Und dann manifestierte sich eine Erscheinung in der Luft, vielleicht zehn Yards über der Straße. Trotz der Dunkelheit konnten Zamorra und Nicole jede Einzelheit dieses schaurigen Wesens erkennen.
Der weibliche Körper mit den prallen Brüsten war rabenschwarz. Um den Hals trug die Kreatur eine Kette aus Totenschädeln. Aus den Augen in ihrem schönen Gesicht tropfte Blut. Der rote Lebenssaft rann auch aus ihren sinnlichen Lippen.
In jeder ihrer zehn Hände hielt die Erscheinung ein anderes Mordinstrument. Sie war mit Schwertern, Äxten, Keulen und anderen altertümlichen Waffen versehen.
Und nun begriff Zamorra, warum sein Amulett nicht reagiert hatte.
Trotz ihres unheimlichen Anblicks war diese Entität kein Höllenwesen und auch kein Dämon. Vielmehr handelte es sich um eine Göttin.
Kali war die indische Göttin des Todes und der Zerstörung!
Sie galt auch als die Herrin der Leichenstätten. Das war die Erklärung dafür, dass sie einen Geruch nach verbrannten Toten um sich herum verbreitete. In Indien war es nach wie vor üblich, die Leichen durch Feuerbestattung in die jenseitige Welt zu schaffen.
»Sei gegrüßt, o Kali!«, sagte Zamorra. »Ich sehe, dass du immer noch theatralische Auftritte bevorzugst!«
Die Göttin riss ihr bluttriefendes Maul auf.
»Und du hast nach wie vor ein freches Mundwerk, Zamorra! Ein wenig Dankbarkeit würde dir gut zu Gesicht stehen. Schließlich war ich es, die dich und deine Gefährtin aus der lichterloh brennenden Villa Satania befreit hat. Schade eigentlich, schade um euren Feuertod. Nur kurze Zeit später hättet ihr gebrannt wie auf dem Scheiterhaufen…«
Die Todesgöttin rollte mit ihren blutigen Augäpfeln. Man konnte spüren, wie sehr ihr diese Vorstellung gefiel.
»Und warum hast du uns gerettet, wenn dir brennende Leichname so gut gefallen?«
»Sehr einfach, Zamorra. Du und ich und Duval, wir sind alle nur Teil der Kosmischen Harmonie. Selbst ich als Göttin muss mich ihren Gesetzen beugen. Und ihr beide werdet noch gebraucht. Für weitere Aufgaben, auf die ich hier nicht eingehen kann und will. Doch vor allem jetzt hier in London, um Asha Devi zu retten.«
Zamorra kniff misstrauisch die Augen zusammen.
»Asha Devi befindet sich in Indien, in einer Nervenklinik.«
»Ha! Das glaubst auch nur du, Zamorra! Sie ist geflohen und hierher nach England gekommen. Halsstarrig wie sie ist, will sie ihre Unschuld selbst beweisen. Sie kann es nicht ertragen, sich helfen zu lassen.«
Damit hatte Kali zweifellos Recht. Zamorra traute der Todesgöttin trotzdem nicht. Ihre großen Worte von der Kosmischen Harmonie änderten nichts daran, dass Kali stets ihr eigenes Süppchen kochte. Sie tat nichts ohne Berechnung. Wenn Kali Zamorra und Nicole gerettet hatte, dann gewiss nicht aus Menschenfreundlichkeit. Sie verfolgte vermutlich einen großen, geheimen Plan, von dem außer ihr selbst niemand etwas wusste.
»Darf ich dich etwas fragen, o Kali?«
»Sicher, Zamorra.«
»Du hast doch höchstpersönlich dafür gesorgt, dass Asha Devi in den untersten Ebenen der Hindu-Höllen landete. Wieso willst du ihr plötzlich helfen?« [5]
»Ich will nicht, ich muss«, erwiderte Kali grollend. »Das hat dich nicht zu kümmern, Zamorra. Du bist doch so ein verfluchter Menschenfreund, oder etwa nicht? Du wirst dir doch bestimmt ein Bein ausreißen, um Asha Devi davor zu bewahren, von den Mächten der Finsternis vernichtet zu werden!«
»Sicher werde ich das, o Kali. Aber kannst du vielleicht etwas deutlicher werden?«
»Natürlich. Die Bluttat, die Asha Devi in die Schuhe geschoben wurde, hat kein anderer begangen als Sura. Ihr dämonischer Bruder, der einst ein
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