0764 - Schrei, wenn dich der Teufel holt

den heimtückischen Augen sprach Grausamkeit. Die widerwärtige Kreatur weidete sich an der Angst und Panik, von der Fatih erfasst war.
    Die junge Frau traute sich nicht, aufzustehen und einen Fluchtversuch zu wagen. Wie gelähmt lag sie auf dem dreckigen Gehweg und starrte auf die Kreatur, die nun langsam ihre Klauen ausstreckte…
    Doch dann geschah etwas anderes.
    Bevor der Unhold Fatih packen konnte, wurde er von einem kräftigen Fußtritt getroffen!
    Fatih zuckte zusammen. Sie hatte die Angreiferin nicht kommen sehen. Aber es war ganz eindeutig eine Frau, die sich nun schützend vor die am Boden Liegende stellte. Eine Frau, die so etwas trug wie eine indische Polizeiuniform…
    Fatih schüttelte den Kopf. Sie verstand nicht, was passierte. Sie spürte nur, dass sie Hilfe bekam.
    »Du fühlst dich wohl stark, schleimiger Erddämon?« Die helle Stimme der Uniformierten hatte einen schneidenden Unterton. »Nimmst du es auch mit mir auf, du eitriger Auswurf eines Höllenhundes?«
    Die Polizistin ließ einen Gegenstand an einer Kette kreisen. Was es war, konnte Fatih nicht erkennen.
    »Asha Devi!«, röchelte der geflügelte Dämon. »Ich kann es kaum glauben! Nun werde ich die Ehre haben, dem Meister deinen Kopf zu bringen!«
    Ohne weiteres Vorgeplänkel stürzte sich die Bestie auf die Inspektorin. Asha Devi hatte den plötzlichen Angriff kommen sehen. Geschickt wich sie zur Seite aus. Mit ihrem Doppel-Vajra an der Kette schlug sie nach dem Monster.
    Und verfehlte!
    »Du hättest in Indien bleiben sollen, Asha Devi! Jetzt wirst du in der Themse dein feuchtes Grab finden!«
    Seine rechte Klaue schoss vor. Sie zerfetzte den Ärmel von Ashas Uniformbluse. Erneut gelang es der Polizistin, auszuweichen. Doch diesmal war die Entfernung zwischen Asha und dem Erddämon sehr gering.
    Asha wirbelte den Doppel-Vajra an der langen Kette. Dann peitschte sie damit gegen die Lederfläche und die Häute, aus denen die Schwingen bestanden.
    Die Wirkung war verheerend!
    Der Flügel wurde glatt vom Rücken abgetrennt! So, als ob Asha ihn mit einem mächtigen und scharfen Schwert abgeschlagen hätte.
    Die Schwinge glitt zu Boden.
    Der Erddämon wich zurück. Asha hob ihre Hand mit dem Schmuckstück an der Silberkette. Sie grinste Unheil verkündend. Ihre neue weißmagische Waffe hatte die erste Bewährungsprobe bestanden. Asha Devi konnte damit problemlos einen Dämon verletzen. Nun musste sich nur noch zeigen, ob sie mit Hilfe des Doppel-Vajras auch seine unnatürliche Existenz vernichten konnte…
    Die Inspektorin setzte der Bestie nach.
    Der Erddämon versuchte instinktiv davonzufliegen. Doch nur mit einer Schwinge ging das natürlich nicht. Er erhob sich einige Yard in die Luft und trudelte dann wieder zu Boden.
    Asha Devi erwischte ihn noch einmal, diesmal an der Schulter. Unmenschliches Gekreische schnitt in die Trommelfelle von Fatih und Asha. Trotzdem war die zweite Verletzung offenbar nicht so schwer wie die erste.
    Das Monster floh mit grotesken Bocksprüngen.
    Asha kniete sich neben die immer noch am Boden liegende Fatih. Schwesterlich nahm die Inspektorin die Pakistanerin in den Arm.
    »Sind Sie verletzt, Lady?«
    »N… nein, ich… nur mit dem Kopf gegen die Wand…«
    Asha lächelte freudlos und strich über Fatihs Stirn.
    »Das gibt ein schönes Hörnchen. So eines, wie unser geflügelter Freund gleich zwei an seinem Schädel hat. Mit dem kleinen Unterschied, dass Ihr Horn nach ein paar Tagen wieder verschwinden wird.«
    »Was… was war das für ein Wesen?«
    Ashas Miene verdüsterte sich.
    »Das müssen Sie nicht wissen, glauben Sie mir. Sie haben heute Nacht nur einen bösen Traum gehabt, nichts weiter. Aber nun entschuldigen Sie mich. Ich muss Ihren Albtraum verfolgen!«
    Die durchtrainierte Inspektorin federte hoch. Dann lief sie in die Richtung, wo der verletzte Dämon verschwunden war.
    Fatih erhob sich stöhnend vom Gehweg. Ihr Schädel brummte wirklich ziemlich stark. Aber immerhin blutete sie nicht.
    Die Pakistanerin beschloss, ihr Erlebnis wirklich als einen Albtraum oder eine Fantasie abzuhandeln. Sie hatte schon genug eigene Probleme.
    Sie konnte sich nicht noch um die Kämpfe zwischen diesem grässlichen Höllenwesen und der schönen Polizistin kümmern, die ihr vermutlich das Leben gerettet hatte.
    Fatih ging heim, als ob nichts gewesen wäre. Sie beschloss, ihr Erlebnis möglichst schnell zu vergessen.
    ***
    White Chapel, London
    Schon auf der Polizeischule war Asha Devi eine der besten Sprinterinnen