0766 - Der Herr der Welt
Fahrzeug in Gang. Über die schmale Landbrücke, die die Halbinsel mit dem Festland verband, glitt das Fahrzeug in Richtung Uelen. Von einer Beeinträchtigung der Manövrierfähigkeit war nichts mehr zu spüren. Die drei Männer waren plötzlich wieder guten Mutes. Der Erfolg der Arbeit machte sie stolz.
Der Anblick von Uelen allerdings wirkte ernüchternd auf sie.
Die Stadt war fast völlig dem Erdboden gleichgemacht. Von dem kleinen Gebäude, in dem sie die letzten Tage verbracht hatten, stand kaum mehr als die Grundmauern. Glücklicherweise hatte sich der Generator, mit dem sie ihre Unterkunft geheizt und beleuchtet hatten, in einer Ecke gefangen und war so vor dem Davongespültwerden bewahrt worden. Dafür waren aber sämtliche übrigen Habseligkeiten, die sie nicht an Bord, sondern im Haus aufbewahrt hatten, für immer verloren.
Sie luden den Generator auf und machten sich unter dem Licht der scheidenden Sonne auf den Weg nach Süden. Sie überquerten die breite Fläche des Ostkaps und hielten dann quer über die Eisfläche der Bering-See auf das Kap Krigujgun zu.
Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten sie die kleine Stadt Jandogaj, die von der Springflut offensichtlich verschont geblieben war.
Sie fanden eine Unterkunft in einem geräumigen, modern eingerichteten Gebäude und setzten den Generator in Gang, um sich ein wenig zusätzliche Behaglichkeit zu verschaffen.
Lange sollte ihr Aufenthalt in Jandogaj nicht sein. Gleich morgen wollte Walik Kauk wieder aufbrechen.
Sie aßen von den mitgebrachten Vorräten. Später holte Bluff Pollard das alte Funkgerät aus dem Hovercraft, der draußen auf der verschneiten Straße geparkt stand. Es handelte sich um eine kleine, batteriegetriebene Funkstation, die nicht nach dem modernen Radakom-Prinzip, sondern wie einer jener herkömmlichen Sender arbeitete, wie sie auch vor fünfzehn-, sechzehnhundert Jahren schon in Betrieb gewesen waren.
Gegenüber einem Radakom hatte er den Vorteil einer - pro Einheit der Leistung gemessen - wesentlich größeren Reichweite.
Bluff hatte sich von Baldwin Tingmer in der Bedienung des Geräts unterweisen lassen und beschäftigte sich seitdem des öfteren damit.
„Du kriegst keinen Anschluß, Junge!" meinte Tingmer auch an diesem Abend wieder.
Aber Bluff Pollard ließ sich nicht entmutigen. Er sendete nicht, er horchte nur. Er war besessen von der Idee, daß ebenso wie er, Walik und Baldwin auch andere Menschen die Katastrophe überlebt haben müßten und daß sie, wegen der größeren Reichweite, sich eher eines Funkgeräts als eines Radakoms bedienen würden, um mit ihrer Umwelt Verbindung aufzunehmen.
Walik Kauk hatte sich bereits für die Nacht gebettet, als Bluff plötzlich mit einem lauten Schrei auffuhr.
„Hört doch! Ich habe Kontakt...!"
Er drehte den Empfänger so laut wie nur möglich. Heftiges Rauschen und Knacken drang aus dem Gerät, aber unter den Störgeräuschen waren deutlich die Töne einer menschlichen Stimme zu vernehmen.
Walik war aufgesprungen und zu dem Tisch geeilt, auf dem Bluff die kleine Station aufgebaut hatte. Er hörte gestammelte Worte, terranische Worte, mit einem harten, asiatischen Akzent gesprochen.
„... von Tieren belagert ... Standort Laborstation Kamenskoje... bitte kommt! Ich halte es nicht mehr lange aus ... kommt... bitte ..."
Atemlos lauschten sie alle. Nach einer kurzen Pause begann die Stimme von neuem, mit denselben Worten. Der Mann, der da sprach, war am Rande seiner Kräfte.
„Antworte ihm!" trug Walik dem Jungen auf.
„Das hat wenig Zweck", meinte Tingmer. „Er muß erst auf Empfang schalten."
Bluff versuchte es trotzdem. Er schaltete auf Sendung.
„Hier sind Kauk, Tingmer und Pollard. Gegenwärtiger Standort: Jandogaj. Halte aus! Wir kommen morgen und holen dich heraus!"
Aber als er wieder auf Empfang zurückstellte, war die ferne Stimme noch immer am Jammern.
„Zwecklos", entschied Tingmer. „Wir müssen warten, bis er zu sich kommt und auf Empfang geht! Der Mann ist völlig fertig und kann nicht mehr klar denken."
„Weiß jemand, wo Kamenskoje ist?" erkundigte sich Walik Kauk.
„Nordostzipfel des Ochotskischen Meeres", antwortete Tingmer.
„Am Ende der Penshina-Bay, fast schon auf der Halbinsel Kamtschatka."
„Entfernung von hier?"
Tingmer starrte in die Luft und zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht tausend Kilometer Luftlinie. Ich müßte es auf der Karte nachsehen."
Sie warteten, während der verzweifelte Mann am anderen Ende der
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