077 - Das Kollektiv
redeten auf ihn ein. Allerdings nicht lange.
Da lag plötzlich eine Spannung in der Luft, die beängstigend wirkte. Einer nach dem anderen fielen sie zurück; am Ende waren nur noch Tjomkiin, Wiko'o und Le'ev übrig. Doch als Semjo'ons Fuß die Brandung berührte, flohen auch sie: Über das tosende Meer kamen zwei Silhouetten heran - schwarz und schweigend…
***
»Wie viel Regen gibt so ein Wolkenband ab, verdammt noch mal?«, knurrte Matt, wendete im Höhleneingang und stapfte ans Lagerfeuer zurück.
»So viel, wie drinsteckt«, sagte Aiko trocken und erntete dafür das eisigste Lächeln, das ein Warmblüter erzeugen kann. Den Cyborg kümmerte es nicht.
Gewiss - auch er machte sich Sorgen um Aruula, und ja: Auch er wäre lieber weiter gereist, als die Nacht in dieser Höhle zu verbringen. Aber draußen goss es in Strömen und der Tag ging zu Ende - zwecklos also, seine Energie darauf zu verschwenden, alle paar Minuten an den Eingang zu pilgern, um den Wolken etwas vorzufluchen. Außerdem hatte der sturmbedingte Zwangsaufenthalt auch eine gute Seite: Er bot Aiko die Gelegenheit, in aller Ruhe den Translator einzubauen.
»Gutes Gelingen!«, wünschte Matt, als habe er den Gedanken des Freundes erraten, ging im B ogen um die Satteldecke herum, die Aiko auf dem Boden ausgebreitet hatte, und ließ sich neben Honeybutt am Feuer nieder. Die Rebellin nickte ihm zu.
»Ist gleich so weit«, versprach sie und zeigte auf den Spikkar, der kopflos, braun und knusprig an einem Spieß über der Glut hing, ab und zu von Mr. Black gewendet. Der Running Man saß im Schneidersitz da, gähnte verhalten und sah sein Tagewerk als erledigt an: Die Yakks waren versorgt, die Ausrüstung verstaut und Miss Hardys Fehler, ihre Küchenabfälle im Freien zu deponieren - praktisch eine
»Willkommen-Matte« für ungebetene Besucher - wieder behoben. Natürlich nicht von Mr. Black persönlich. Er hatte seiner jungen Untergebenen - denn das war sie ja immer noch, nicht wahr? - den entsprechenden Befehl erteilt.
Gähnend stemmte er sich hoch.
»Was macht Ihr Rücken?«, erkundigte sich Matt Drax. Der Rebellenchef winkte ab; die paar Kratzer verdienten keinen Kommentar.
Krachend zerbarst ein Scheit im Feuer. Funken stoben davon und eine kleine helle Rauchwolke segelte vorbei.
Mit ihr kam der Duft des aromatischen, saftigen Fleisches.
Zeit zum Essen! Mr. Drax und Miss Hardy waren offenbar derselben Meinung - sie ließen den ehemaligen Höhlenbewohner, der so appetitlich vor sich hin brutzelte, nicht mehr aus den Augen.
Nur der Cyborg zeigte kein Interesse.
Weltversunken saß er auf der Satteldecke, vor sich - sorgsam ausgebreitet - eine Reihe verwertbaren Zubehörs, Werkzeug und den ausgekochten Kopf des Spikkars.
Mr. Tsuyoshi hatte Recht behalten: Er war das perfekte Behältnis für den Universal-Übersetzer. Der hintere Teil des Schädels wölbte sich nach innen - ursprünglich, um die Wucht angriffsbedingter Kopfstöße abzufedern und das Hirn des Tieres zu schützen. Nun schützte er das weit empfindlichere Hirn des Translators, eine komplexe Komposition aus Siliziumträgern, Speicherchips und Schaltkreisen - die Heimstatt eines Rechners der besonderen Art: Das neuronale Netz und seine parallel arbeitenden Mikroprozessoren waren in der Lage, Lernprozesse selbst zu organisieren und damit Relationen zwischen Ein- und Ausgabe herzustellen.
So zumindest lautete Aikos Beschreibung jener künstlichen Intelligenz, die selbständig lernte, Klangmuster erkennen und verarbeiten konnte und einmal gespeicherte Sprachen fast simultan übersetzte. Natürlich nicht kreuz und quer: Im Universal-Translator wurden sämtliche Laute, die das sensible Mikrofon trafen, in Millisekunden erfasst, verglichen und den einzelnen Datenbanken zugeordnet - als Basis aller Dinge. Erst danach erfolgte die Übersetzung; an einem bestimmten System orientiert und logischerweise nur solange eine »Muttersprache« zur Verfügung stand, die dem Ausgang vorgeschaltet war.
Der Cyborg verkabelte Lautsprecher und Mikrofon. Sie passten genau in die Augenhöhlen und gaben dem Spikkar-Schädel ein verwegenes Aussehen; besonders im Zusammenspiel mit dem hellen gedrehten Hörn, das fingerlang aus der Stirn aufragte und als Feldverstärker die Zielausrichtung des Mikrofons unterstützen würde.
»Essen ist fertig!«, verkündete Miss Hardy.
»Keine Zeit«, brummte Aiko, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Nicht, dass er keinen Hunger hatte - aber es gab wichtigere Dinge im
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