077 - Die Gruft der bleichenden Schädel

Sie näher.« Es war der erste Satz, den sein schweigsamer Begleiter über
die Lippen brachte. Im Haus war es sehr still. Das gelblich-rote Licht hinter
den Pergamentlampenschirmen spendete gedämpften Schein. »Bitte, folgen Sie mir!
Der Lord erwartet Sie.«
    Zum ersten
Mal wurde der Professor von einem eigenartigen Gefühl erfaßt.
    Das ganze
Gebaren gefiel ihm nicht.
    Sein
Begleiter war zu ernst, zu verschlossen und steif. In diesem Haus herrschte
eine geradezu bedrückende Atmosphäre. Die Luft war muffig und verbraucht, als
würde hier nie ein Fenster geöffnet. Mit unruhigem Blick registrierte der
Wissenschaftler auch die Tatsache, daß der Chauffeur die Tür hinter ihm verschloß
und verriegelte.
    Dieser
bemerkte den Blick des Professors und ein flüchtiges Lächeln huschte über sein
ernstes Gesicht. »Man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein«, sagte er
leise. »Es treibt sich so viel Gesindel herum, daß es besser ist, Vorkehrungen
zu treffen. Wir sind allein hier in dem großen Haus.«
    Wen er mit
wir meinte, verschwieg er wohlweislich.
    William James
wurde in den Salon geführt. Auf dem Weg dorthin hatte er Gelegenheit, eine
seltsame und umfangreiche Sammlung von Fetischen, Schrumpfköpfen, dämonischen
Masken zu sehen. Andere bizarre und ängstigende Darstellungen an den
vollbehangenden Wänden beherrschten das Bild. Gläserne Vitrinen waren mit
kleineren Skulpturen und kultischen Gegenständen wilder Stämme gefüllt, die
Lord Murshee offenbar von seinen Reisen mitgebracht hatte.
    »Eine
erstaunliche Sammlung«, bemerkte William James, nur um etwas zu sagen. Er ahnte
zwar, daß der Diener in die mysteriöse Erkrankung der Lady eingeweiht war,
wollte aber nicht von selbst darauf zu sprechen kommen, um keinen Fauxpas zu
begehen. »Aus Afrika?«
    »Nein, Sir.
Borneo, Neuseeland. Einige Dinge stammen auch von den Ureinwohnern Australiens.«
    »Lord Murshee
ist ein Liebhaber dieser Dinge? Er hat sie alle selbst mitgebracht?«
    »Ja«, lautete
die einsilbige Antwort.
    Sie
passierten eine Treppe, eine Galerie. Von dort hatte man einen hervorragenden
Blick auf die riesige Empfangshalle, von der aus mehrere Türen in andere Räume
des großen Hauses führten.
    An der Wand
zur Linken hingen riesige geschnitzte, bedrohlich aussehende Masken. Zwischen
ihnen waren gekreuzt, bis drei Meter lange Blasrohre befestigt. In aus
gegerbtem Leder und Bast geflochtenen Behältern steckten zahllose
handgeschnitzte kleine Pfeile.
    William James
blieb interessiert davor stehen.
    »Bitte,
berühren Sie nichts«, tönte da die Stimme seines Begleiters. »Die Spitzen sind
vergiftet. Die geringste Hautritzung genügt, um Sie augenblicklich zu töten,
Professor.«
    Dieser zuckte
unmerklich zusammen. »Ein gefährliches Haus«, murmelte er.
    Dann hatten
sie den Salon erreicht.
    Er war
geschmackvoll und ausgesprochen luxuriös eingerichtet. Alle Fenster waren
geschlossen und die schweren Vorhänge vorgezogen. Beim Eintreten registrierte
William James beiläufig, daß der Raum mit einer gepolsterten Doppeltür
ausgestattet war.
    Sein
Begleiter deutete stumm auf einen der bequemen, dezent gemusterten Sessel. »Bitte,
nehmen Sie Platz. Lord Murshee wird gleich hier sein.«
    Ohne noch ein
weiteres Wort zu verlieren, wandte er sich um und verließ den Salon. Die innere
Tür fiel fast lautlos ins Schloß. Die äußere hörte William James kaum noch,
aber er registrierte in seinem Unterbewußtsein das Knacken.
    Das Schloß,
durchzuckte es ihn und Mißtrauen glomm in ihm auf.
    Rasch
durchquerte er den großen Raum, drückte die Klinke der Doppeltür und versuchte
sie zu öffnen.
    Es ging
nicht!
    William James
war verunsichert. Seine Augen flackerten. Das merkwürdige Gefühl verstärkte
sich.
    »Hallo?!«
rief er und trommelte gegen die Tür. »Warum haben Sie mich eingeschlossen?
    Was soll der
Unfug?«
    Mit sich fast
überschlagender Stimme brüllte er los.
    Niemand
antwortete ihm oder kam, um die Tür zu öffnen und ihm zu erklären daß dies
alles nur ein Mißverständnis war.
    Immer klarer
wurde ihm, daß es sich um keines handelte.
    Doch William
James war alles andere als der scheue, kopflose Typ, der gleich in Panik
geriet. Er lief auf ein Fenster zu, riß den Vorhang zur Seite und taumelte
zurück – die Nische war zugemauert!
    Aber das
konnte ein Einzelfall sein.
    Der Professor
riß einen Vorhang nach dem anderen zurück. Überall das gleiche!
    William James
preßte die Lippen zusammen. Er verstand überhaupt nichts mehr.
    Man