077 - Die Gruft der bleichenden Schädel
verständlich zu machen, indem er einige
Brocken von verschiedenen Eingeborenensprachen zusammenwarf.
Noch ein
Meter, noch ein halber, dann stand er vor dem Abgrund.
Er stemmte
sich gegen die anrückenden Baraks, aber die Menschenmauer trieb ihn an.
Boro handelte
und streckte seine Arme aus.
Jean Buscon
verlor das Gleichgewicht.
Im Fallen
noch drehte er sich um die eigene Achse.
Was er sah,
erfüllte ihn mit Entsetzen.
Es war kein
Abgrund unter ihm, sondern eine Grube, aus der es fluoreszierend schimmerte.
Er erkannte
unzählige Totenschädel, die hier zu einem wahren Berg aufeinandergeschichtet
worden waren.
»Aaah!
Hiillfeee!« Sein langgezogener Aufschrei hallte durch die Nacht, kam als
vielfältiges Echo zurück und wurde weitergetragen.
Es knirschte
und krachte, als Jean Buscons Körper aufschlug.
Aber das
Geräusch blieb, als er ruhig lag und feststellte, daß ihm der Sturz in die
geringe Tiefe fast nicht geschadet hatte.
Ein
Hoffnungsschimmer überstrahlte seine Gedanken. Wenn er nicht ernsthaft verletzt
war, bestand die Chance, daß er sich erholte, an den scharfkantigen Knochensplittern
seine Fesseln aufschneiden und sich dann in der Dunkelheit absetzen konnte.
Deshalb blieb
er ganz ruhig liegen.
Sollten die
da oben denken, was sie wollten. Mit seinem Sturz in die Tiefe war die Arbeit
der Eingeborenen erledigt.
Er erschauerte,
als ihm bewußt wurde, wie viele Menschen hier schon ihr Leben lassen mußten.
Dieser Knochenberg war ungeheuerlich.
Seine Tiefe
ließ sich nicht mal schätzen.
Aber was war
das?
Es rumorte
rund um ihn herum, als wäre er in eine Grube mit Klapperschlangen gefallen.
Jean warf den
Kopf herum.
Unter ihm
bewegte sich etwas. Der Berg gab nach. Die Schädel rutschten unter ihm weg.
Sie bewegten
sich? Sie lebten?!
Das Grauen
schnürte seine Kehle zu, als sein Blick auf dem Schädel haften blieb, der ihm
genau gegenüberlag.
Der
Skelettkopf bewegte die Kiefer, riß das Maul weit auf und schnappte nach Jean
Buscon!
Die
furchtbaren ausgebleichten Zähne hakten sich in dessen Schulter fest.
Jean schrie,
bewegte sich ruckartig und strampelte. Aber das machte seine Lage nur noch
schlimmer. Er versank in diesem Berg aus Skeletten! Verzweifelt riß an seinen
Fesseln, in der Hoffnung, die Hände freizubekommen.
Vergebens!
Er war den
furchtbaren Gegnern hilflos ausgeliefert.
An seinen
Wangen, seinen Schenkeln bissen sie sich fest. Er hatte das Gefühl, von Ratten
angefallen zu werden. Die festen, großen Zähne schlugen in sein Fleisch. Mit
aller Deutlichkeit stand sein furchtbares, ungewöhnliches Schicksal vor seinem
Auge.
»Sie fressen
mich! Um Himmels willen, sie fressen mich auf!« Seine Stimme überschlug sich
und wurde zu einem dumpfen Gurgeln, als zwei, drei Schädel – wie von
Geisterhand bewegt – über seinen Kopf und sein Gesicht krochen und mit
mahlenden Kiefern das Fleisch von den Knochen rissen.
●
William James
nutzte den Tag, um sich über alle anstehenden Probleme Klarheit zu verschaffen.
Er hatte Gelegenheit, mit den beiden anderen Häftlingen zu sprechen.
Dies wurde
von Robert A. Whitacker begrüßt und gefördert. Die drei Spezialisten besprachen
sich und erörterten den einmaligen Fall der Erkrankung Vivian Whitackers
ebenso, wie die Möglichkeit ihrer eigenen Befreiung.
»Es gibt nur
eine einzige Möglichkeit«, meinte Professor Jenkins, ein Mann mittleren Alters
und von untersetzter Statur. »Und die heißt: auf seine Wünsche eingehen!«
Dr. Stan
Berry, ein erfolgreicher Chirurg, der mit erstaunlichen Operationen von sich
Reden machte, nickte zustimmend. Er war der jüngste unter ihnen, erst
neununddreißig Jahre alt.
»Ich bin mir
im klaren darüber, daß Whitacker keinen von uns mehr rausläßt, wenn wir nichts
unternehmen. Wir bleiben hier dann bis zu unserem Lebensende. Zwar mangelt es
uns an nichts, aber Gefangenschaft ist Gefangenschaft«, sagte Stan Berry.
»Außerdem
habe ich eine Freundin. Die möchte ich wiedersehen, bevor ich graue Haare
kriege. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Wir müssen etwas unternehmen!«
»Etwas
unternehmen, heißt: operieren«, warf Poul Jenkins ein.
»Mit der
Operation allein ist es nicht getan. Whitacker will einen Erfolg sehen. Und da
wird’s schwierig.«
Stan Berry
seufzte. »Ich bin Chirurg. Aber ich bin nicht Baron von Frankenstein, daß ich
aus Leichenteilen wieder einen lebendigen Körper zusammenstückeln kann, meine
Herren. Da liegt der Hase im Pfeffer. Den Kopf der toten
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