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077 - Die Hexe von Andorra

077 - Die Hexe von Andorra

Titel: 077 - Die Hexe von Andorra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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brüllender Stimme dazu aufforderte und, wenn er vor Schmerz nicht gerade schrie, wimmernd beteuerte, daß er gefehlt hätte und die Züchtigung verdiente: „Reinigt mich! Treibt den bösen Feind aus!"
    Dorian schloß die Tür schnell wieder und begab sich über die Wendeltreppe ins Erdgeschoß hinauf. Quintano war ja noch viel verrückter, als er geglaubt hatte, wenn er sich geißeln ließ, um den dämonischen Einflüssen nicht zu verfallen. Es war auch gut möglich, daß er es gewesen war, der in der vergangenen Nacht so qualvoll geschrien hatte.
    „Haben Sie es auch gehört, Hunter?" fragte der kleine beleibte Franzose, der Paul Duponte hieß, als Dorian in der Halle eintraf, wo sich die anderen bereits versammelt hatten.
    Dorian nickte, und Duponte fragte: „Glauben Sie an den Unsinn, den Jerez erzählt, daß es sich dabei um die Schreie jener handelt, die zur Zeit der Inquisition in diesen Mauern gefoltert wurden?"
    „Ich weiß nur mit Sicherheit, daß hier unzählige Menschen zu Tode gefoltert wurden", antwortete Dorian.
    „Na, hoffentlich bekommen wir etwas von dieser Atmosphäre zu spüren", sagte Duponte.
    Ein zweiter Franzose hatte sich zu ihnen gesellt, der Jean Cassell hieß, die Haare kurz trug, ein langes Gesicht mit hervorspringendem Gebiß hatte und beim Grinsen aussah, wie eine Mischung zwischen Fernandel und einem blonden, rasierten Affen.
    „Ja, hoffentlich wird uns etwas geboten, damit wir unsere Zeit hier nicht vertrödeln", sagte er. „Dieser Quintano ist ja eine einmalige Type."
    „Wie meinen Sie das?" fragte Dorian.
    Cassell tippte sich an die Stirn. „Der ist doch nicht richtig im Kopf."
    „Jean!" ermahnte Duponte seinen Freund.
    Aber Dorian winkte ab: „Nehmen Sie sich nur kein Blatt vor den Mund! Ich bin mit Quintano nicht verwandt."
    „Dann können wir ja offen miteinander reden", sagte Duponte. „Ist er Ihnen auch so komisch gekommen - von wegen, daß man sich ihm anvertrauen kann und alle Sünden beichten soll und so?" „Er hat mir kniend versichert, daß er mein Beichtvater sein will", verriet Dorian.
    Die beiden Franzosen lachten und lockten mit ihrem Gelächter ihre Freunde an.
    „Sie sind schon in Ordnung, Hunter“, meinte Cassell und zeigte sein Gebiß. „Sie haben sicher nichts dagegen, wenn wir uns mit Quintano einen Jux machen."
    „Was für einen Jux?" fragte Dorian.
    „Mehr wird nicht verraten", sagte da einer der anderen.
    Es war der große, schlaksige Bursche, mit dem sich Dorian am Vormittag unterhalten hatte, als er ihnen beim Anschieben des Kleinbusses half. Er hieß Daniel Clementis.
    „Wir wollen die Pointe ja nicht vorwegnehmen."
    Dorian hatte ein ungutes Gefühl, deshalb sagte er: „Nehmen Sie sich in acht! Quintano ist manchmal unberechenbar. Ich rate Ihnen, Ihre Scherze nicht auf die Spitze zu treiben."
    „Wir wissen schon, wie weit wir gehen können", versicherte Cassell. „Aber Spaß muß sein. Lassen Sie uns nur machen, Hunter!"
    „Achtung, der Burgherr kommt!" warnte jemand.
    Sofort wurden alle ernst.
    Quintano erschien in Begleitung von Jerez. Der Verwalter trug einen violetten Umhang mit einem weißen, achteckigen Kreuz darauf, wie ihn früher die spanischen Inquisitoren bei ihren Amtshandlungen getragen hatten. Er ging etwas gebeugt. Sein Gesicht war noch vom Schmerz gezeichnet, aber als er mit fester Stimme zu sprechen begann, war ihm nichts mehr davon anzumerken, daß er ausgepeitscht worden war.
    „Wie ich sehe, sind alle versammelt." Dabei blieb der Blick seiner kleinen, dunklen Augen auf Dorian haften. „Gut, dann können wir mit der Führung beginnen."

    Quintano führte sie zuerst durch die oberen Räume der Burg und machte ganz allgemeine Erklärungen über die verschiedenen Räumlichkeiten und die Wehranlagen.
    Die Franzosen begannen bald zu murren. Sie wollten Geschichten über Blut und Tod hören, über die ruhelos durch das alte Gemäuer ziehenden Seelen der Gefolterten.
    „Alles zu seiner Zeit", beruhigte Quintano sie.
    Er führte sie in die Ahnengalerie. Das war ein langer Gang. An der einen Wand hingen die Porträts vom Erbauer der Burg bis zu dessen letztem Nachkommen.
    Quintano deutete auf das erste Porträt. „Das war Fernandez Hernando de Alicante. Er war 1520 in die Neue Welt ausgewandert und kehrte dreißig Jahre später als reicher Mann zurück. Alicante war Baske, aber trotz seines Reichtums und des Ruhmes, den er sich in der Neuen Welt erworben hatte, wollten seine eigenen Landsleute nichts von ihm wissen.

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