077 - Die Hexe von Andorra
Deshalb zog er sich nach Andorra zurück und baute in diesem entlegenen Winkel der Pyrenäen Castillo Basajaun. Hernando de Alicante beschäftigte sich viel mit Dämonologie, was sie leicht an den vielen Bestiensäulen und den Reliefen erkennen können, die alle Monstren, Fabelungeheuer und Teufel darstellen. Der Burgerbauer verlor sich immer mehr an die dunklen Mächte, und nach seinem Tod übernahm sein einziger Sohn das verhängnisvolle Erbe."
Quintano schritt die Ahnengalerie derer von Alicante ab, während er erklärte, daß diese Männer alle relativ unbedeutend gewesen waren und nur eines gemeinsam hatten: sie waren alle den bösen Mächten verfallen und konnten ungestört ihr Unwesen bis ins Jahr 1768 treiben, bis der erste Quintano auf den Plan trat.
„Der damalige Burgherr hieß Manuel Etzarch de Alicante. Er trieb es schlimmer als alle seine Vorfahren. Er terrorisierte die Bewohner des gesamten Tales und raubte ihre Töchter, die er für seine dunklen Zeremonien und Orgien mißbrauchte. In diesem Tal geschah durch viele Jahre hindurch himmelschreiendes Unrecht, aber Etzarch verstand es, die einfachen Leute derart einzuschüchtern, daß sie ihn nicht verrieten, so daß die Kunde seines furchtbaren Wirkens nicht über die Grenzen Andorras drang.
Doch mein Urahn Enrique Quintano Bonifaz, der Inquisitor in Katalonien war, erfuhr in einem Wahrtraum von Alicantes Schandtaten. Er reiste mit einem Trupp von Familiaren zum Castillo Basajaun, eroberte die Burg und rottete die gesamte Teufelsbrut aus. Zum Dank für seine Tat wurde ihm Castillo Basajaun zum Geschenk gemacht und er selbst zum Inquisitor von Andorra ernannt. Dieses Amt war erblich übertragbar, so daß auch seine Nachfahren für Ruhe und Ordnung sorgen konnten und mit wachsamem Auge darüber wachten, daß der böse Feind nicht wieder über dieses Land herrschen konnte. Die von Quintano hielten das Banner der Inquisition bis in unsere Zeit hoch. Ich bin der letzte dieses Geschlechts, und wenn ich einmal nicht mehr lebe, dann wird diese alte Tradition in Vergessenheit geraten. Aber ich werde ohne Trauer aus dieser Welt scheiden, denn ich weiß, daß der böse Feind dann für immer aus diesem Land verbannt sein wird."
Mit diesen Worten war er beim letzten Gemälde der Ahnengalerie angelangt. Es war ein idealisiertes Porträt von ihm selbst, das ihn im Inquisitionsgewand zeigte, das er auch ,jetzt trug. Hinter ihm wehte eine Fahne aus schwarzem Samt, die ein grünes astreiches Kreuz mit einem Olivenzweig und einem Schwert zeigte: das Banner der Inquisition.
„Ich dachte, die Inquisition in Spanien sei 1820 endgültig abgeschafft worden", sagte Jean Cassell und zeigte sein Pferdegebiß mit einem unschuldigen Lächeln. „Sie aber sagen, Ihr Geschlecht hätte die Inquisition bis in die heutige Zeit aufrechterhalten.“
Die Franzosen stießen einander an, weil sie meinten, dem Verwalter einen Widerspruch bewiesen zu haben.
Aber Quintano hatte nur ein mitleidiges Lächeln für sie. „Offiziell, meine Herren, offiziell war die Inquisition abgeschafft, aber auf Castillo Basajaun lebte sie weiter. Enrique Quintano Bonifaz hatte nämlich bei seiner Säuberungsaktion im Jahre 1768 nicht alle jene richten können, die vom Teufel besessen waren. Ihre Zahl ging in die Hunderte. Enrique hatte geglaubt, daß nur die Familie des Burgherrn und seine engsten Vertrauten dem bösen Feind verfallen waren. Später stellte sich aber heraus, daß auch das gesamte Gesinde, vom Roßknecht bis zur Zofe, vom Türmer bis zur gemeinen Magd - daß sie alle das Gift der Hölle in sich trugen. Als Enrique das erkannte, hatten sich bereits viele der Schuldigen verkrochen und über das ganze Land verstreut. Und so mußten die Nachkommen das Werk fortführen, das der erste Inquisitor begonnen. Jeder Quintano darf sic rühmen, zumindest einen Scheiterhaufen angezündet zu haben. Und auch ich, der letzte Inquisitor war nicht müßig."
„Jetzt wird es interessant!" Paul Duponte zwinkerte Dorian zu, der aber blieb ernst. „Wenn ich Sie recht verstehe, dann haben auch Sie Scheiterhaufen angezündet, Quintano? Und ihre Vorfahren müssen es vermutlich noch toller getrieben haben. Es wundert mich nur, daß in der andorranischen Geschichte nichts davon erwähnt wird."
Quintano ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
Sie verließen die Ahnengalerie und kamen in eine große Bibliothek, deren Regale mit uralten Büchern vollgestopft waren.
„Sie können alle Taten meiner Vorfahren in der
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