077 - Die Hexe von Andorra
wieder: „Nein! Nicht! Ich will nicht! Nein! Nein!"
Seine Schreie gellten durch das unterirdische Verlies und drangen auch in die Zelle, wo eine verwahrloste, zerschundene Gestalt zwischen Ratten auf einem schmutzigen Strohlager kauerte.
Als der Mann die Schreie hörte, begann er schadenfroh zu kichern.
Fabian Baroja wollte mit den anderen Familiaren gerade unverrichteter Dinge nach Basajaun zurückkehren, als er plötzlich die schwarze Katze sah. Er wollte schreien, um die anderen auf das Tier aufmerksam zu machen, doch er brachte keinen Laut über die Lippen. Die Augen der Katze hatten ihn in ihren Bann geschlagen. Er stand wie hypnotisiert da und drückte seine Fackel zischend im Schnee aus, während die anderen sich immer weiter entfernten.
Da trat die Gestalt eines Mädchens hinter einem Baum hervor. Fabian Baroja konnte wegen der Dunkelheit keine Einzelheiten an ihr erkennen, doch das rote Glühen ihrer Augen verriet ihm, daß sie es war: die Hexe Sixta.
„Fabian Baroja", sagte Sixta, als sie ihn erreicht hatte.
Er war noch immer wie gelähmt, während sie ihn, wie ein Raubtier seine Beute, umschlich.
„Fabian Baroja!" sagte sie wieder. „Ich kenne dich gut. Ich weiß nun alles über dich. Du wohnst in dem Haus, in dem früher ich mit meiner Familie gelebt habe. Du bist einer der Mörder, die meine Angehörigen auf dem Gewissen haben. Und sicher bist du der schlimmste von allen, denn du hast als Belohnung das Haus deiner Opfer bekommen."
Fabian Baroja gab einen kläglichen Laut von sich.
„Ist das alles, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast?" fragte Sixta.
Fabian Baroja nahm alle seine Kraft zusammen, um seine Stimme wiederzufinden.
„Ich - ich bin unschuldig", stammelte er. „Ich habe damals versucht, mich aus der Sache herauszuhalten, aber man hat mich gezwungen. Ich mußte zusehen, wie die Scheiterhaufen errichten und dann angezündet wurden. Aber ich schwöre, bei allem was mir heilig ist, daß ich keine Hand gerührt habe."
„Das soll ich dir glauben?" Sixta umschlich ihn unablässig. „Und wie war das mit deinem Sohn? Hast du ihn denn nicht diesem Wahnsinnigen auf Castillo Basajaun ausgeliefert, als du von ihm erfuhrst, daß er sich heimlich mit mir trifft? Du warst es, der ihm sagte, ich sei eine Hexe. Julio wäre nie von selbst auf diesen schrecklichen Gedanken gekommen, denn er liebte mich."
„Es war Isidor Quintano, der beschlossen hatte, Julio zu dir gehen zu lassen und ihm zu folgen", beteuerte Fabian Baroja. „Ich würde doch nicht meinen eigenen Sohn verraten. Ich würde doch nicht zulassen, daß man ihn in den Kerker wirft und quält."
Sixta hielt inne, und als ihre Katze sich fauchend und mit gesträubtem Fell sprungbereit machte, um sich auf Baroja zu stürzen, brachte die Hexe sie mit einem Zischlaut zur Räson.
„Julio ist also noch immer auf der Burg", sagte Sixta.
„Ja, ja", sagte Baroja schnell. „Ich darf nicht einmal zu ihm, aber ich weiß, daß es schlecht um ihn steht. Ich habe Quintano angefleht, ihn freizulassen, aber der Inquisitor will nichts davon wissen.
Ich flehe dich an, wenn du Julio wirklich liebst, mußt du ihm helfen."
Sixta sah ihn durchdringend an.
„Wie soll ich Julio helfen?" fragte sie und war geneigt, dem Mann, der Julios Vater war, seine Unschuldsbeteuerungen zu glauben. Ihr Zauberspiegel hatte ihr nichts Gegenteiliges über ihn verraten. „Wie kann ich etwas für ihn tun, wenn dies nicht einmal dir, einem Vertrauten Quintanos, gelingt? Wenn ich mich in die Burg wagte, wäre das mein sicherer Tod."
„Du hast doch einen Verbündeten in der Burg", sagte Fabian Baroja. „Mit seiner Hilfe könntest du es schaffen."
Sixta nickte. Er war der einzige Mensch, dem sie vorbehaltslos trauen konnte. Daß Estrella ihn nicht mochte, hatte in diesem Fall nichts zu bedeuten. Die Katze war nur eifersüchtig auf ihn, denn sie spürte, was ihre Herrin für Hunter empfand.
„Ja, Dorian Hunter könnte mir vielleicht helfen. Er ist stark und klug. Und er ist mir geistig auch sehr ähnlich."
Fabian Baroja horchte auf.
„Wenn du Julio liebst, dann befreist du ihn", redete er Sixta weiter zu.
Sie blickte ihn forschend an. „Hexen können nicht lieben."
„Ich habe dich nie für eine Hexe gehalten, ebensowenig wie deine Familie. Aber ich mußte auch an meine Frau und Julio denken. Deshalb hatte ich keine andere Wahl, als mit den Wölfen zu heulen. Ich flehe dich an", - er kniete vor ihr nieder -, „wenn dir etwas an Julio liegt, dann
Weitere Kostenlose Bücher