0770 - Die andere Seite der Hölle
Macht.
Wieder einmal hatte sie überzeugen und ›Wunder‹ vollbringen können. Zudem unter den Augen der Presse, die natürlich von den Ereignissen in Glenfield berichten würde. Vielleicht würde Glenfield sogar Lourdes den Rang ablaufen.
Wahrscheinlich würden sich clevere Manager und Agenten der Kleinen annehmen, um ihre Kräfte zu vermarkten. Es wäre der absolute Wahnsinn gewesen.
Ich beobachtete Elenor. Sie wirkte trotz ihrer Erfolge schüchtern. Selbst hartgesottene Reporter trauten sich nicht, sie anzusprechen. Von dieser schmalen Person mußte etwas ausgehen, was sie davon abhielt. Wahrscheinlich war ihnen Elenor unheimlich. Sie konnten sie zwar sehen, mit ihren Kräften kamen sie jedoch nicht zurecht, und das war schlimm für sie.
Elenor schaute zum Haus hin. Den Grund wußte ich nicht. Ob sie etwa Jane Collins suchte? Über deren Rolle war ich mir nicht im klaren. Sie hatte sich an Elenor gehängt, sie war in deren Haus gegangen. Man hatte sie eingelassen, und Elenor hatte ihr sogar das Leben gerettet. Reagierte Jane nur aus Dankbarkeit so, oder war es echt? Ein wirkliches Gefühl, das sich zwischen den beiden aufgebaut hatte. Gab es möglicherweise Gemeinsamkeiten zwischen ihnen?
Eigentlich lächerlich. Oder doch nicht? Schließlich war Jane einmal eine Hexe gewesen. Die Betonung liegt dabei auf war. Jetzt stand sie wieder auf unserer Seite. Doch tief in ihrem Innern hatten sich noch einige ihrer früheren Kräfte erhalten. Sie waren latent vorhanden, und so konnte es durchaus sein, daß Elenor dies gespürt hatte.
Und damit hatte sie möglicherweise auch gewisse Gemeinsamkeiten herausgefunden.
Das war zu prüfen, und es bedeutete gleichzeitig, daß man das Mädchen ebenfalls zu den Hexen zählen konnte.
Sehr ungewöhnlich, aber nicht von der Hand zu weisen. Zudem brauchte Elenor eine Helferin. Sie hatte zwar ihre Eltern, doch ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie richtig mit den Kräften ihrer Tochter umgingen. Dazu fehlte ihnen doch einiges.
Die junge Wunderheilerin war so weit zurückgewichen, bis sie schon fast an der Hauswand stand.
Das Durcheinander von Kranken und Gesunden hatte sich wieder beruhigt. Es gab keine Stelle im Garten mehr, die nicht zertrampelt gewesen wäre. Noch immer strömten Menschen herbei. Es mußte sich herumgesprochen haben, was hier abgelaufen war, und jeder fürchtete, bei der folgenden Wunderheilung zu spät zu kommen.
Ich war gespannt, wen sich Elenor nun aussuchen würde. Andererseits hatte auch ich einen bestimmten Plan, und ich hoffte, ihn durchsetzen zu können.
Daß Elenor Macht über die Menschen hatte, bewies sie in den folgenden Sekunden. Sie brauchte nur einen Schritt vorzugehen, um eine gespannte Erwartung zu erleben. Nach dem kurzen Anheben ihrer Arme verstummten die Gespräche.
Nur in den hinteren Reihen wurde noch gesprochen, was andere nicht mochten, denn mit zischender Stimme baten sie um Ruhe.
Vielen stockte der Atem. Ich warf noch einen raschen Blick auf die Gesichter.
Himmel, wie vertrauten sie dieser Person! In den Augen las ich eine Hörigkeit, die mich erschreckte. Ich bekam sogar feuchte Handflächen und hoffte nur, daß ich meinen Plan unbeschadet überstehen konnte.
»Einen von euch werde ich noch heilen«, sagte Elenor. »Dazu reicht die Kraft noch. Danach aber muß ich mich zurückziehen, um neue Energien zu sammeln und zu beten. Einen von euch, einen aus eurer Mitte.«
Das war der Moment, auf den ich gelauert hatte. Ich trat einen Schritt vor und sagte: »Wie wäre es denn mit mir…?«
***
Im Nachhinein ärgerte sich Suko, daß er zugestimmt hatte. Im Vorgarten würde es sicherlich interessant werden, aber die Szenerie konnte er auch vom Fenster aus beobachten, wenn er neben Jane stand. Und er würde sie auch fragen, welches Verhältnis sie zu dieser ungewöhnlichen Person aufgebaut hatte.
Zunächst einmal mußte er ins Haus, was nicht so leicht war, denn die Tür war verschlossen. Dafür entdeckte Suko den Knopf einer Klingel neben dem Namensschild.
Er schellte.
Das Summen hörte er zwar, es war auch sicherlich von Jane oder den Eltern des Mädchens vernommen worden, nur rührte sich nichts. Auch beim zweiten- und drittenmal erntete Suko keine Reaktion, und das wiederum ärgerte ihn und machte ihn zugleich mißtrauisch. Er ging davon aus, daß etwas nicht stimmte, aber er wollte auch keinen Rückzieher machen. Er mußte zu Jane.
Für ihn befand sie sich in Gefahr.
Deshalb zögerte er nicht länger. Der Blick auf
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