0770 - Die andere Seite der Hölle
nicht als Aufpasser an. Wir gehören aber zusammen. Wir sind ein Team. Würdest du dem zustimmen?«
»Heute nicht.«
Suko war nicht überrascht, daß sie so reagierte. Er fragte sie trotzdem. »Darf ich die Gründe wissen?«
»Warum?«
»Es ist das Mädchen, nicht?«
Jane drehte sich zum Fenster, weil von draußen her Geschrei hochklang. Sie wandte sich aber schnell wieder um, hatte sich gefangen und nickte. »Ja, es ist Elenor.«
»Gut, akzeptiert. Und warum?«
»Sie ist faszinierend.«
»Geschmacksache«, erwiderte Suko. »Sonst noch was?«
Janes Augen leuchteten. »Und sie hat mir das Leben gerettet, wie du wahrscheinlich weißt.«
»Akzeptiert. Bist du ihr jetzt dankbar?«
Jane senkte den Blick. Sie zeichnete ihre Lippen mit der Zungenspitze nach. »Ja, ich bin ihr dankbar, sonst würde ich nicht leben und auch nicht… aber lassen wir das. Ich kann mir vorstellen, was du willst, Suko. Aber das wird nicht eintreten. Ich bleibe vorläufig in ihrer Nähe, weil ich eine Schuld abtragen muß, du verstehst?«
»Nicht direkt.«
»Ich muß mich um sie kümmern.«
»Aber sie hat Eltern.«
»Die sind nicht hier. Oder hast du sie gesehen?«
»Nein, das nicht.«
»Eben. Deshalb bin ich diejenige, die ihren Schutz übernommen hat.« Jane schloß für einen Moment die Augen, sprach aber weiter. »Sie ist so klein, so zerbrechlich. Eine Person wie sie braucht eben Schutz. Du darfst nicht vergessen, daß sie noch ein Kind ist.«
»Mit besonderen Fähigkeiten.«
»Richtig, Suko.« Sie schaute ihn wieder an. »Mit besonderen Fähigkeiten. Sie hat mir von ihren Plänen erzählt, und ich weiß jetzt, daß sie noch Großes vorhat. Sie wird als eine Heilige in die Geschichte eingehen, sie wird die Menschen heilen, sie wird sie von ihren Krankheiten befreien, sie will, daß es in der Zukunft diese schrecklichen Krankheiten nicht mehr gibt. Das alles schwebt ihr vor. Was sie hier macht, ist erst der Anfang. Irgendwann wird sie ihre Kräfte einschätzen können. Dann kann sie sich konzentrieren, dann hat sie begriffen, und die Menschen werden ihr Denkmäler setzen.«
»Meinst du?«
»Davon bin ich überzeugt. Und ich habe mich entschlossen, ihr zu helfen. Es gibt viele Dinge, um die ich mich kümmern muß. Wir werden den Ort hier irgendwann verlassen, oder wir bauen ihn um zu einer großen Wallfahrtsstätte. Das alles schwebt uns vor. Wir werden auch einen Heilaltar im Freien errichten und lassen die Kranken und die Krüppel zu uns kommen. Wir werden bald Geld nehmen, und diese Einnahmen den Menschen zukommen lassen, denen es schlechter geht als uns…«
Sie redete weiter von den großen Plänen, die ja im Prinzip nicht schlecht waren, aber der Inspektor glaubte ihr nicht. Der Vorsatz war da, nur würde sie kaum dazu kommen, ihn auszuführen. Dagegen stand Elenor Hopkins. Sie war keine Gute, sie war ein junger Mensch, der sich mit furchtbaren Mächten eingelassen hatte. Sie konnte heilen, wie auch immer. Sie hatte es geschafft, das Feuer zu befehligen, aber das war nicht aus ihr selbst gekommen, denn hinter ihr stand jemand, der sie leitete und auf einen, wie Suko meinte, gefährlichen Weg brachte. Das mußte er Jane klarmachen. Konnte er das?
Er brauchte nur in das Gesicht der Detektivin zu schauen, um seine Zweifel zu bekommen.
Jane stand nicht mehr auf seiner Seite. Sie war davon weggerissen worden. Sie hatte einen anderen Weg genommen, sie ging den Pfad, der möglicherweise ins Verderben führte und nicht dorthin, was sie sich eigentlich vorgestellt hatte.
»Ich denke, daß du dich irrst, Jane!«
Sie schrak zusammen. »Was hast du gesagt? Ich soll mich irren? Nein, das kann nicht dein Ernst sein.«
»Doch. Ich möchte, daß du nachdenkst. Du kannst nicht all das aufgeben, was dir bisher lieb und teuer gewesen ist. Du hast daran geglaubt, Jane. Es war nicht falsch.«
Sie hob den Kopf an. Ihr Blick war böse und abstoßend. Die Augenpartie war von düsteren Schatten umwölkt, als wären sie völlig falsch geschminkt worden. Ihre Lippen verzogen sich. »Was redest du da eigentlich, Suko? Bist du dir darüber im klaren?«
»Du… du…«, sie holte zweimal kurz Luft. »Du hast sie beleidigt, Suko. Du hast eine Heilige beleidigt, du hast…«
»Jetzt hör aber auf!« fuhr er sie an. »Elenor ist keine Heilige. Sie ist eine Person, die sich anderer Kräfte bedient. Sie wird von unheimlichen Kräften geleitet. Sie ist nicht mehr sie selbst, etwas Fremdes hat die Kontrolle übernommen, und ich fürchte, daß
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