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0770 - Die andere Seite der Hölle

0770 - Die andere Seite der Hölle

Titel: 0770 - Die andere Seite der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sie?«
    »Sich selbst, den anderen. Die Priorin eines Klosters hat sie in die Welt geschickt. In den Wirren der Reformationszeit hat sie gewirkt, sogar dann noch, als Heinrich VII den anglikanischen Glauben ausrief und daraus eine Staatsreligion machen wollte. Sie hat sich nicht unterkriegen lassen, und die Menschen waren so dankbar, daß sie ihr sogar eine Kapelle errichteten.«
    »Bis die Nonne auf dem Scheiterhaufen endete.«
    Der Satz hatte sie geschockt. Sie stieß ein Knurren aus. Meine Bemerkung hatte in der düsteren Vergangenheit herumgerührt, und daran wollte sie nicht erinnert werden. Aber ich blieb am Ball und setzte nach. »Warum hat man sie den Flammen überlassen? Weshalb schloß man sie aus? Warum verbrannte sie zu einem schmutzigen Klumpen?«
    »Weil die Menschen dumm waren!«
    »Tatsächlich nur dumm? Oder war es nicht so, daß sie endlich erwacht sind? Daß sie gemerkt hatten, was mit dieser Nonne wirklich los war. Daß sie auf der anderen Seite stand und möglicherweise nicht dem Herrgott, sondern dessen Widerpart, Satan, diente? Ist es nicht so gewesen? Hat sie die Menschen nicht erst in Sicherheit gewiegt? Hat sie nicht die Männer verführt, sie zu Orgien getrieben, sie an sich gefesselt, dann satanische Heilungen vorgenommen, um ihr eigentliches Ziel damit zu übertünchen? Ist es nicht so gewesen?«
    Ich wartete auf eine Antwort und wurde nicht enttäuscht. Elenor hatte den Kopf gesenkt, sie schaute zu Boden, und aus ihrem Mund drang ein tiefes Knurren, das auch dann noch blieb, als sie mir eine Antwort gab, deren Worte durch dieses Geräusch untermalt wurden. »Sie ist etwas Besonderes gewesen, man hat sie nicht töten können. Irgendwo lebt sie weiter, verstehst du? Keiner kann sie vernichten. Sie wird die Ewigkeiten überdauern. Sie hat sich die Kapelle als Heimat ausgesucht, und dort ist sie auch noch zu finden.«
    Elenor Hopkins hatte leise gesprochen. Kein anderer sollte ihre Worte hören, sie waren einzig und allein für mich bestimmt, und damit hatte sie auch meine letzten Zweifel beseitigt.
    Hinzu kam noch etwas: Das Mädchen ›heilte‹ nicht aus eigener Kraft. Es war jemand da, der sie führte. Ich ging davon aus, daß es der Geist dieser abtrünnigen Nonne gewesen ist.
    »Du gehst den falschen Weg, Kind. Du gehst den völlig falschen. Du hast dich da in etwas verrannt, dem ich nicht zustimmen kann. Es tut mir leid für dich.«
    »Nein, dir muß es leid tun!« flüsterte sie rauh. Gelblicher Speichel verließ dabei ihren Mund und klebte auf den Lippen fest. »Dir allein muß es leid tun.«
    »Warum?«
    »Weil du zweifelst. Weil du nicht an mich und auch nicht an sie glaubst. Das ist dein Fehler…«
    »Nein, kein Fehler. Ich bin gekommen, um euch das Handwerk zu legen, und ich habe dir ein ›Geschenk‹ mitgebracht.« Dabei dachte ich natürlich an mein Kreuz, das ihren Blicken noch verborgen war.
    Es steckte noch unter der Kleidung. Als ich den rechten Arm bewegte, um nach der Kette zu fassen, da sprang der Funke über. Plötzlich spürte das Mädchen, daß sich eine Gefahr zusammenbrauen würde. Elenor schrie auf. Es war ein spitzer, ein greller Schrei, der auch die Menschen in der Nähe mobilisierte.
    »Was macht er mit dem Kind?« rief eine Frau.
    Der Schrei war verebbt.
    Böses Lachen drang mir entgegen. Für einen Moment veränderte sich ihr Gesicht. Es wurde noch dunkler, die Augen starrten mich intensiver an. Sie waren mit einer Boshaftigkeit gefüllt, die mich erschreckte und mich mitten ins Herz traf. Das war kein Blick von ihr, das war einfach ein Gefühl, das nicht zu ihr paßte, sondern seine Wurzeln weit in der Vergangenheit hatte.
    Aus diesem Blick ›sprach‹ die teuflische Nonne!
    Dann rannte sie weg.
    Ich hatte das Kreuz noch nicht hervorholen können, ich konnte sie auch nicht verfolgen, denn plötzlich stand ich nicht mehr allein. Die Masse Mensch hatte sich in Bewegung gesetzt und mich praktisch eingekesselt. Es glich schon einem Wunder, daß ich noch auf den Beinen stand und nicht überrannt worden war.
    Die ersten Hände griffen zu. Ich hatte es nicht mehr geschafft zu fliehen. Ein kräftiger Mann hielt mich gepackt und drehte mir den Hemdstoff dicht unter der Kehle zusammen.
    »Was hast du getan? Was hast du ihr angetan, du Hund?«
    »Lassen Sie mich los!«
    »Nein!« schrie er und stieß mich zurück. Ich fiel nicht zu Boden, weil andere da waren, die mich abfingen. Sie gehörten nicht zu meinen Freunden. Sie packten zu, aber dabei blieb es nicht. Erste

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