0770 - Die andere Seite der Hölle
Faustschläge prasselten auf mich nieder. Ich lag plötzlich auf dem Boden, drehte mich zur Seite und bekam eine Heidenangst davor, hier im Garten gelyncht zu werden.
Ich hatte die Menschen aus ihren Illusionen gerissen. Sie selbst waren. Zeugen der Heilungen geworden, und nun kam ich und nahm ihnen ihren Glauben.
Das konnte sie nicht verkraften. Deshalb reagierten sie auch so, denn ich war derjenige, an dem sie ihre Enttäuschung auslassen konnten. Wenn es zu keinen weiteren Heilungen mehr kam, trug ich daran die Schuld, weil ich das Gebäude hatte zusammenbrechen lassen.
Wer weiß, wie die Sache ausgegangen wäre, hätte es nicht einige mutige Polizisten gegeben.
Die bahnten sich einen Weg, setzte dabei ihre Knüppel ein und schafften es, den Mob von mir zu entfernen.
Ich lag noch immer auf dem Bauch. Meinen Kopf hatte ich durch die Arme geschützt, und es gab einige Stellen an meinem Körper, die mir weh taten.
»Es ist okay, Mister, es ist okay.« Die fremde Stimme flößte mir Vertrauen ein. Ziemlich angeschlagen kam ich auf die Beine, stand dort schwankend und konzentrierte mich auf den Druck im Nacken. Dort hatte es mich einige Male erwischt.
Der Konstabler vor mir hätte auch in einem Film mitspielen können. Er war das Vertrauen in Person. Groß, wuchtig, dabei ziemlich dick und mit einem Gesicht, in dem der gewaltige Schnauzbart auffiel. Der Konstabler musterte mich von oben bis unten. »Sind Sie okay, Mister?«
»Ich hoffe es«, erwiderte ich grinsend und klopfte mir den Schmutz von der Kleidung. »Vielen Dank, übrigens. Wenn Sie und Ihre Kollegen nicht gewesen wären, hätte es böse für mich ausgehen können.«
»Das bestimmt, Mister.« Er schaute sich um. »Sie haben aber auch selbst Schuld daran. Sie haben den Menschen hier die Illusionen und den Glauben genommen.« Er schüttelte den Kopf. »Das war nicht gut.«
Ich lächelte knapp. »Aus Ihrer Situation haben Sie recht, Konstabler. Ich sehe die Dinge anders.«
»Wieso denn?« Er schaute mich an, als hielte er mich für einen Geistesgestörten.
»Können Sie sich vorstellen, daß ich es bewußt getan habe? Daß ich nur wegen dem Mädchen gekommen bin?«
»Ja, natürlich, aber eben anders.«
»Richtig. Ich will Elenor Hopkins stoppen.«
Er verstand nur Bahnhof, schüttelte den Kopf. Bevor er noch eine Frage stellte, zeigte ich ihm meinen Ausweis, was ihn noch mehr überraschte. »Ein Kollege sind Sie, Sir? Dazu noch von Scotland Yard…«
Ein hartes Lachen unterbrach ihn. Einer der Reporter hatte sich herangeschlichen. »Na, Sinclair, was auf die Nuß gekriegt?«
»Schafft ihn weg!« rief der Konstabler seinen Kollegen zu.
Das war nicht mehr nötig, denn der Mann verschwand von allein. »Sie scheinen ja bekannt zu sein«, bemerkte mein Retter.
»Es hält sich in Grenzen.«
»Geht mich auch nichts an. Mich würde nur interessieren, was Sie gegen Elenor haben?«
»Das kann ich Ihnen sagen. Ich traue ihr einfach nicht. Sie ist nicht das, was sie vorgibt zu sein.«
Der Konstabler schürzte die Lippen. »Mit der Meinung stehen Sie aber ziemlich allein.«
»Das stimmt.«
»Haben Sie denn nicht gesehen, wie sie die Heilungen durchführte? Ich wollte es ja auch nicht glauben. Was meinen Sie, wie mich dieser Betrieb hier nervt. Aber ich habe es dann mit eigenen Augen gesehen. Sie hat doch geheilt.«
»Stimmt.«
»Und trotzdem sind Sie gegen Elenor!«
»Ja. Es ist auch schwer, dies einem Außenstehenden klarzumachen. Trotzdem müssen Sie mir glauben, Kollege. Nicht alles, was Sie sehen, dürfen Sie auch kritiklos hinnehmen.«
»Da steckt mehr dahinter - wie?«
»Vielmehr.«
»Hat es Sinn, Mr. Sinclair, wenn ich Sie nach den Gründen frage?«
»Nein, Konstabler, es hat keinen Sinn. Nehmen Sie das bitte nicht persönlich. Das Thema ist sehr komplex.«
Er nickte. »Das dachte ich mir schon. Auch mich hat die Kleine nicht überzeugt. Ich lebe lange genug hier, um zu wissen, was mit ihr los ist. Nicht grundlos ist sie immer wieder zu dieser kleinen Kapelle gegangen, die praktisch von den anderen Menschen abgelehnt wird. Nur sie ging immer wieder hin. Ich hörte, daß sie täglich Stunden dort verweilte.«
»Warum mieden die anderen die Kapeile?«
»Jetzt werde ich Ihnen einen komischen Grund dafür nennen.«
»Bitte.«
»Wir fühlten uns nicht wohl. Wir sind eine katholische Enklave hier im Gebiet, wir haben eine andere Kirche, aber in die Kapelle wollte niemand mehr hinein. Hin und wieder haben sich einige Touristen dorthin
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