0770 - Die andere Seite der Hölle
bestimmt mehr als zehn Jahre auf den Reifen.
Daneben blieb Jane stehen. Sie konnte auch durch ein Fenster schauen. Im Innern des Hauses bewegte sich nichts, und Jane betrachtete das Rad. Es war nicht abgeschlossen.
Jane konfiszierte das Rad. Es würde ihr den Weg zur Kapelle sehr erleichtern.
Jane blieb auf einem schmalen Feldweg. Sie hätte auch über die Straße fahren können, doch sie wollte jegliche Begegnungen vermeiden. Zudem führte der Feldweg auch direkt zum Ziel, denn er lief parallel zur Straße entlang.
Es war wieder kühler geworden. Der Wind hatte aufgefrischt. Er wehte in Janes Gesicht und drückte ihre Haare nach hinten. Bei jedem harten Tritt in die Pedale quietschte der Rahmen des Rades, als wollte er gegen die Belastung protestieren.
Die Detektivin schaukelte über Buckel hinweg. Der Sattel war alles andere als bequem, doch das nahm sie gern in Kauf. Radfahren war nicht so anstrengend wie das hastige Laufen, auch wenn sie keuchte und sich über die Anhöhen quälen mußte.
Aber sie packte es.
Als sie auf einer verhältnismäßig geraden Strecke weiterfuhr, sah sie zum erstenmal ihr Ziel.
Die Kapelle stand da, als hätte sie nur auf sie gewartet. Sie sah noch kleiner aus als normal, das mochte damit zu tun haben, daß der Weg vom Niveau her tiefer lag als der Bau selbst. Es würde sich ändern, wenn er wieder leicht anstieg und vor der Kapelle auslief.
Auch der schmale Turm war gut zu erkennen. Er streckte sich in die Höhe wie der verbrannte Finger einer Riesenhexe, denn er sah ziemlich schmal aus.
Wolken zogen über den Himmel. Lange, düstere Schleier, vom Wind getrieben, so daß sie sich immer mehr zusammenballten und größere Flächen einnahmen. Es war kälter geworden. Das Gras bewegte sich in eine Richtung, als wollte es sich vor den Kräften der Natur verneigen.
Jane trampelte und besah sich das Mauerwerk. Sie hatte es nurmehr bei strömenden Regen in Erinnerung.
Es machte auf sie einen düsteren Eindruck. Nicht einmal vom Mauerwerk her, das zwar ziemlich hell, dennoch schien sich in den alten Steinen etwas Unheimliches gehalten zu haben, das mehr zu spüren, als mit den Augen zu sehen war.
Jane Collins fürchtete sich nicht davor. Sie wußte ja, weshalb sie das Ziel anfuhr, und niemand war mehr da, der es ihr streitig machen würde. Nur noch wenige Yards, dann hatte sie es hinter sich. Sie rutschte vom Sattel und stemmte sich stehend in die Pedale. Eine kleine Anhöhe mußte überwunden werden. Vom letzten Regen war der Boden noch feucht und ziemlich weich. Es kostete sie Kraft, ihn zu überwinden, sie atmete heftig und schwankte mit dem Rad hin und her.
Sträucher griffen mit ihren starren Armen nach dem Rad und wollten sich in die Speichen stemmen, aber Jane gab nicht auf. Sie kam durch, der Anblick der Kapelle hatte Jane wieder beflügelt, und als das Rad plötzlich noch einmal Fahrt bekam, jubelte sie auf, denn sie hatte die Anhöhe überwunden.
Jane setzte den Rücktritt ein. Das Rad rutschte noch etwas und stand dann. Jane schwang sich aus dem Sattel. Sie schleuderte ihr Fahrzeug zur Seite und ließ es liegen.
Die Kapelle zählte, mehr nicht.
Und wieder ging sie auf die Tür zu. Zum zweitenmal, aber diesmal mit anderen Gefühlen, und es stand auch keine Elenor Hopkins in der offenen Tür, um sie zu erwarten.
Jane lächelte. Ihre Augen glänzten, als hätte ihr jemand eine Freude bereitet. Innerlich fühlte sie sich mit dem Bauwerk verbunden, und eben dieses unsichtbare Band machte sie stark. Keiner würde sie daran hindern, das Gebäude zu betreten.
Es war still um sie herum, abgesehen von einem leichten Säuseln des Windes, als hätte sich dieser mit zahlreichen Geisterstimmen aufgefüllt. Das alte Mauerwerk strömte einen feuchten Geruch aus.
Er störte Jane Collins nicht. Sie genoß die Nähe der Kapelle, deshalb streckte sie die Hände aus und berührte das Mauerwerk. Sie streichelte darüber hinweg wie über die Haut eines Menschen, und schon jetzt spürte sie das Besondere dieser Kapelle.
Etwas kroch in ihre Finger hinein, ließ die Spitzen vibrieren, als hätte sie auf einer Weide einen Elektrozaun angefaßt.
Jane lächelte.
Freude überkam sie, als sie dieses Kribbeln spürte. Dann drehte sie sich zur Seite, um auf den schmalen Eingang der Kapelle zuzugehen. Er war durch eine schwere Holztür gesichert worden.
Jane wußte, daß es Mühe kostete, sie aufzuziehen, aber das nahm sie gern in Kauf, um bei der Kraft zu sein, die auch Elenor geleitet
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