0771 - Der Knochen-Sessel
es.«
»Urlaub!«
»Bingo. Woher weißt du das?«
»Ich sehe es dir am Gesicht an. Du hast nämlich schon den halben Urlauberblick. Der in die Ferne schweift, der den Strand sieht, die Mädchen im Sand und…«
»Als Drohung im Hintergrund die Gestalt des Alten!«, vollendete ich den Satz. »Wie ein kantiger Riese steht er da. Hat einen Arm angehoben und droht mir mit der Faust. Na? Ist das was?«
»Du bist ein Masochist.«
»Eher ein Realist.«
»Hat ein Realist wie du auch Durst?«
»Immer.«
Es war wirklich ein Wetter, wo man am Abend noch draußen sitzen konnte. Das hatten die Besitzer zahlreicher Lokale ausgenutzt und ihre Tische vor die Kneipen und Bistros gestellt. Wir fanden einen Parkplatz mit viel Glück und genossen in einem kleinen Gartenlokal den herrlichen Blick auf die Themse, deren Fluten träge durch das Bett in Richtung Osten wanderten. Da Suko fuhr, bestellte ich mir ein großes Pils, streckte die Beine aus und genoss es später, den Gerstensaft in meine Kehle laufen zu lassen.
»So lässt es sich aushalten.«
»Genießer.«
»Bin ich auch.«
Suko lachte. Er trank Wasser und kam wieder auf den letzten Fall zu sprechen, der uns beiden ziemlich nahe gegangen war, denn wir hatten erleben müssen, wie beeinflussbar die Menschen doch waren, wenn man es schaffte, ihnen etwas vorzumachen. Diese Wunderheilerin war gefährlich gewesen. Ihre Anhänger wären für sie durchs Feuer gegangen, und mich hatten sie sogar niedergeknüppelt. Selbst Jane war in den Bann der Sechzehnjährigen geraten und schämte sich heute dafür.
Wir hatten es immer wieder mit diesen Phänomenen zu tun, was wohl nie aufhören würde. Suko und ich redeten allgemein über das Problem und merkten kaum, wie schnell die Zeit verging. Erst als ich gähnte, wurde es mir bewusst.
»Wer zahlt?«, fragte Suko.
»Ich werde mich opfern.«
»Herzlichen Dank!«
Ich beglich die Rechnung und spürte eine wohlige Mattigkeit. An diesem Abend ging es mir so gut wie lange nicht mehr, und nach mehreren Gläsern Pils hatte ich mir meine Ruhe auch redlich verdient.
Wir fuhren durch ein abendliches London, in dem sich Helligkeit und Schatten abwechselten. Fließendes Licht, oft grell und bunt, dann wieder nur weiß.
Auch in dem Hochhaus, in dem wir wohnten, brannten zahlreiche Lichter. Sie strahlten hinter den Fenstern auf, und auf mich wirkte das Haus wie eine aufgestellte Streichholzschachtel, in die kleine Rechtecke geschnitten waren.
Ich gähnte auch in der Tiefgarage, was Suko zu der Bemerkung veranlasste, dass er noch Bäume ausreißen könnte.
»Ich auch. Aber nur die ganz kleinen.«
»Dann leg dich mal lang.«
»Das werde ich auch.«
Am anderen Morgen war wieder Büroarbeit angesagt, so jedenfalls sah es aus, und ich hatte wirklich vor, mich hinzulegen und mal wieder richtig tief und fest zu schlafen, ohne dabei an irgendwelche Gefahren oder Dämonen denken zu müssen.
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
***
Ich hatte das Fenster geöffnet, um frische Luft in die etwas muffig riechende Wohnung zu lassen, als das Telefon anschlug. Nicht dass ich mich besonders erschreckt hätte, aber wenn zu dieser Zeit das Telefon läutete, wurde ich immer misstrauisch. Das bedeutete zumeist nichts Gutes, und mit einem derartigen Gefühl nahm ich auch den Hörer ab.
»Sinclair.«
»Er ist da – wunderbar.«
Das reimte sich sogar. Ich hörte die Stimme so deutlich, als stünde der Sprecher direkt neben mir. Aber er war einige Tausend Meilen weit entfernt, dieser Abe Douglas, ein G-Man aus New York.
»Du bist es. Herrlich!«
»Schön, dass du dich freust.«
»Mache ich doch immer. Und der Friedhof in New York ist schließlich Vergangenheit.«
»Das kannst du sagen.« Die Freude aus seiner Stimme verschwand, denn ich hatte ihn an einen schrecklichen Fall erinnert, der nicht einmal sehr weit zurücklag.
»Warum drehte es sich denn diesmal? Wo brennt es?«
»Überhaupt nicht.«
Ich ließ mich in den Sessel fallen. »Dann rufst du just for fun an? Finde ich stark.«
»Ja und nein.«
»Aha, der Pferdefuß.«
»Auch nicht, John, nicht einmal ein Füßchen. Ich wollte dir nur etwas mitteilen.«
»Hast du gekündigt? Willst du bei uns einsteigen?«
»Nein, nein. Außerdem verstehe ich mich mit meinem Chef jetzt besser. Hör zu, mir geht es um Folgendes: Ich wollte dich fragen, ob du zu einer Versteigerung kommen kannst.«
Mit allem hatte ich ja gerechnet, damit nicht. Eine Versteigerung, Himmel, das war kaum zu
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