0771 - Der Knochen-Sessel
wäre augenblicklich dabei gewesen.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Dann fliegst du morgen?«
»Falls ich einen Platz kriege, ja.«
»Viel Glück.«
»Keine Sorge, wir werden uns zuvor noch sehen. Falls ich den Sessel mitbringe, würde er möglicherweise in deine Wohnung passen?«
»Ha, ha, ha«, lachte er und legte auf.
Ich streckte die Beine aus und schloss die Augen. Entspannen konnte ich mich nicht. Durch meinen Körper rann ein Kribbeln. Ich war plötzlich davon überzeugt, vor einer großen Sache zu stehen, die ungeahnte Kreise ziehen würde…
***
An diesem Abend hatte sich der Abbé sehr früh in sein Zimmer zurückgezogen. Es war kein großer Raum. Er war schlicht möbliert.
Das einzig Wertvolle waren die zahlreichen Bücher, die in den Regalen standen. Leider konnte der Abbé sie nicht lesen. Es gab nur wenige von ihnen, die in Blindenschrift geschrieben worden waren.
Bloch wollte sich jedoch nicht von seiner Bibliothek trennen, er brauchte einfach den Geruch der Bücher und tastete stets einmal am Abend über die alten, oft schon brüchigen Lederrücken der Folianten hinweg, was ihm persönlich immer ein gutes Gefühl gab.
Der Abbé schlief in einem kleinen Nebenraum, in dem es nur ein schmales Fenster gab. Die meiste Zeit hielt er sich in seinem Arbeitszimmer auf und dachte nach.
In der letzten Zeit war es relativ ruhig gewesen. Er und seine Templer hatten nicht im Mittelpunkt gestanden. Die großen Gefahren hatten sie nicht mal gestreift, doch Bloch hütete sich vor einer Sicherheit, die trügerisch war. Er wusste sehr gut, wie schnell sich alles ändern konnte, denn ihre Feinde lauerten überall. Tragisch nur, dass es auch wiederum Templer waren, die allerdings den anderen Weg gegangen waren und einem mächtigen Dämon namens Baphomet dienten. Diese Gruppe wiederum hatte schon in den früheren Jahrhunderten dafür gesorgt, dass die Templer einen so schlechten Ruf bekamen.
Der Abbé und seine Getreuen hatten diesen Ruf aufpolieren wollen. Allgemein war ihnen das noch nicht gelungen, aber sie arbeiteten daran, und irgendwann war die Zeit reif. Da konnte er der Welt wieder offen und klar ins Gesicht schauen.
Nur war es fraglich, ob er es noch erlebte. Auch ein Abbé wurde nicht jünger. Und das ewige Leben hatte er natürlich auch nicht. Hin und wieder ertappte er sich bei dem Gedanken an einen Nachfolger, doch solange ihn seine Freunde akzeptierten, kam das nicht in Frage.
In seinem Zimmer kannte er sich aus und bewegte sich wie ein Mensch, der normal sehen konnte. Mit etwas schwerfälligen Bewegungen, die auch etwas von seiner Sorge dokumentierten, setzte er sich auf den Stuhl und stellte den Gegenstand auf den Tisch vor sich, den er aus einem Schrank genommen hatte.
Es war der Würfel des Heils!
Der Abbé stöhnte auf, als er mit den Innenflächen seiner Hände die kantigen Umrisse des Würfels nachzeichnete. Er konnte ihn nicht sehen, doch er wusste sehr genau, wie er aussah. Dieser Würfel war etwas Besonderes, doch es gab noch einen zweiten Würfel, der ebenso aussah wie dieser.
Nur hieß der anders, und er trug diesen Namen wirklich zu Recht.
Es war der Würfel des Unheils.
Der allerdings befand sich nicht im Besitz eines Menschen, sondern in der Gewalt eines mächtigen Dämons, dem Spuk, der ihn hin und wieder als Regulator einsetzte, um andere Dämonen nicht zu mächtig werden zu lassen.
Das alles wusste der Abbé, und es machte ihm auch nichts aus, dass der Spuk den ersten Würfel besaß. Ihm kam es auf den des Heils an, denn er war für ihn so etwas wie der Draht zu einer anderen Welt, der ihm ein indirektes Sehen ermöglichte, wie er immer behauptete. Er sah durch Fühlen, durch Tasten, durch Gedanken und Botschaften, die ihm zugeschickt wurden, und dies konnte ihm keiner nehmen.
Seine treuen Templer-Freunde waren darüber informiert. Sie ahnten auch, dass er sich so früh in sein Zimmer zurückgezogen hatte, um den Würfel zu »befragen«. Weil sie es wussten, würden sie ihn nicht stören und Ergebnisse abwarten. Dabei lag es an Bloch, ob er sie ihnen mitteilte oder sie lieber für sich behielt.
Bisher war es nur eine Ahnung gewesen, ein Schatten des Unheils, aber er ging einfach davon aus, dass es sich um ein Unheil handelte.
Etwas hatte sich verdichtet, jemand drehte an einem kleinen Rad, um furchtbare Dinge in Bewegung zu bringen.
Noch konnte der Abbé nicht sagen, um welche Dinge es sich handelte, deshalb wollte er mit dem Würfel kommunizieren, um so zumindest
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