0771 - Der Knochen-Sessel
einen Hinweis zu erhalten.
Der Würfel lag vor ihm. Die abgerundeten Kanten machten Verletzungen unwahrscheinlich. Er war kein normaler Würfel. Trotz seiner intensiven rotvioletten Farbe war er ein wenig durchsichtig. In seinem Innern schwammen seltsam anmutende Schlieren. Man konnte sie als Informationsträger bezeichnen, als magische Gene, die normalerweise unbeweglich blieben, aber ihre Informationen weitergaben, wenn sich der Besitzer sehr auf den Würfel konzentrierte.
Es musste ihm nur gelingen, gewisse Barrieren zu überwinden und mit dem Gegenstand eins zu werden. Eine Kommunikation aufzubauen, um die Schlieren zu aktivieren.
Nichts anderes hatte Abbé Bloch vor!
Der Würfel des Heils stand auf dem Tisch. Der Abbé hatte beide Hände um seine Seiten gelegt. Er war innerlich noch zu unruhig, und es musste ihm gelingen, diese Unruhe – er bezog sie auf die erste Warnung – unter Kontrolle zu bekommen. Bewusst hatte er das Fenster geöffnet, um kühlere Luft in den Raum zu lassen.
Der lange Sommer war fast vorbei, und die Sonne hatte nicht mehr die Kraft. Jetzt roch es bereits nach Laub, das sich auf vielen Bäumen bereits verfärbt hatte. Jemand im Ort hatte das Holz in einem Kamin angezündet. Der aus dem Schornstein quellende Rauch fand seinen Weg durch die Gassen, und letzte Schwaden drangen auch in das Zimmer des Abbés. Er mochte diesen Geruch, saß bewegungslos und konzentriert da und hatte die Hände auf den Würfel gelegt.
Er senkte den Kopf.
Sehen konnte er nichts, nur würde er spüren, wenn ihm der Würfel gewisse Antworten gab, denn nach Aktivierung der magischen Gene würden deren Informationen sein Gehirn erreichen, sodass sein Wissen größer war als das eines Sehenden.
Mit dem Schicksal der Blindheit hatte er sich längst abgefunden und auch das Beste daraus gemacht.
Sekunden verstrichen. Im Ort war es ruhig. Nur in der Ferne bellte ein Hund, doch dieses Geräusch störte ihn nicht.
Er fiel in eine Art Trance.
Bloch fühlte, wie er wegsackte, nicht körperlich, sondern geistig.
Er glitt in eine kaum erklärbare Leere hinein, aber er wusste, dass er nicht im Nichts enden würde, denn irgendwann erreichte er einen Punkt, wo man ihn abfing.
Er zitterte nicht. Seine Hände mit den schlanken, aber kräftigen Fingern hielten den Würfel fest, als wollten sie ihn liebkosen. Die Härchen auf der Haut sahen aus wie ein feines Gespinst, sie richteten sich auch hin und wieder auf. Seine leeren Augenhöhlen brannten. Er hatte plötzlich das Gefühl, sehr müde zu werden, und er wusste, dass der Kipppunkt bald erreicht sein würde, dann nämlich war er offen und bereit, Botschaften zu empfangen.
Ein sehender Mensch hätte erkennen können, dass der Abbé bereits dicht vor dem Punkt stand, denn die Ruhe innerhalb des Würfels löste sich allmählich auf.
Die helleren Schlieren zuckten mit ihren Enden, als wollten sie sich selbst vorantreiben. Noch hatten sie nicht die Kraft, sie bewegten sich mehr in sich selbst und auf der Stelle. Das aber änderte sich nach wenigen Sekunden, da huschte die erste Schliere an einer zweiten vorbei.
Das war genau der Augenblick, den sich der Abbé herbeigewünscht hatte. Er bekam den ersten Kontakt!
Es war ein kleiner Stich, der in sein Gehirn eindrang. Man konnte ihn auch als Gedankenblitz bezeichnen, und er hatte sich gleichzeitig geöffnet.
Die Kräfte des Würfels fanden keinen Widerstand mehr. Sie gingen einen direkten Kontakt mit dem einsamen Mann ein. Bloch nahm die dunkle Brille ab und legte sie neben den Würfel. Sein Gesicht bekam einen schaurigen Ausdruck, denn dort, wo sich einmal die Augen befunden hatten, waren nur noch hellgraue Flecken, und man konnte da von toten Augen sprechen.
Er stöhnte leise. Die andere Welt fuhr ihm wie ein Sturm entgegen.
Informationen drängten sich in ihm auf und verursachten in seinem Kopf einen rasenden Wirbel. Er konnte sie nicht ordnen, aber er wusste genau, dass es jetzt in dem Würfel keine Schliere mehr gab, die jetzt noch ruhig an ihrem Platz stand. Sie alle bewegten sich, sie drifteten in verschiedene Richtungen, näherten und berührten sich, tauschten Informationen aus, und diese magischen Bits wiederum erreichten das Gehirn des Blinden, der nun versuchte, sie zu sammeln und vor allen Dingen zu ordnen.
Es war nicht einfach, der Abbé kannte dies. Wo andere längst aufgegeben hätten, machte er weiter, denn er wusste, dass ihm der Würfel eine Botschaft überbringen würde. Sie war bestimmt nicht
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