0774 - Die Stadt des Glücks
eine Mischung aus Hunger, Resignation und Müdigkeit.
Die Desillusionierung war vollkommen.
Sie hatten auf den Bildschirmen ein Paradies und eine Stätte des Glücks gesehen und dieses Gebiet betreten. Nachdem sie die Erlebnisse auf der Glücksrolle in den Zustand der Seligkeit und Entspanntheit geschleudert hatten, waren sie in diesen tödlichen Wald hineingestolpert.
Was für die Tbahrgs Glück bedeutete, war noch lange nicht das Glück für die SOL-Besatzungen. Tbahrgs und Solaner waren einander sehr ähnlich, aber es galten nicht dieselben Gesetze.
Dies war die Einsicht, die das Mädchen jetzt hatte - aber die Phasen des Glücklichseins waren länger und intensiver als die Momente des Schreckens.
Jusca Jathin richtete sich auf und begann, Tais Schultern zu streicheln.
„Tai! Wir müssen einen Platz finden, an dem wir bleiben können!
Schläfst du?"
Er murmelte und drehte sich schließlich auf den Rücken.
„Schlafen? Ich? Ich verfluche den Augenblick, an dem wir die Bilder von Glücksstadt gesehen haben. Ich fühle mich, als wäre ich dreimal gestorben."
Er atmete langsam und stöhnte dabei.
„Wir können hier nicht bleiben, Tai", sagte sie leise und rüttelte ihn an der Schulter. Mit einem wimmernden Schmerzenslaut fuhr er hoch.
„Wohin sollen wir gehen?"
Jusca setzte sich auf und blickte in die Richtung des Kristallwalds. Es gab im Augenblick keine Verfolger. Die Tbahrgs schienen sich wieder in das Innere der Bauten zurückgezogen zu haben. Wie aus einer anderen Welt schwebten zitternde, leise Klänge zu ihnen heran. Sie befanden sich rund hundert Meter von dem Rand der Kristallinsel entfernt.
„Ich sehe dort irgendwelche Höhlen !" sagte Jusca flüsternd.
Sie hatte nur noch einen Wunsch: diesem Inferno zu entfliehen und zurückzukehren in die Sicherheit des stählernen Schiffes.
„Wo?"
Sie stützte ihn und deutete nach Westen. Die Sonne würde in drei oder vier Stunden untergehen.
„Dort drüben. Die gelben Berge. Sie scheinen voller Höhlen zu sein."
Die Entfernung bis zu den kleinen schwarzen Punkten in den Flanken der gelben Sandsteingebirge betrug keine dreitausend Meter. Mühsam erhoben sie sich.
„Dort wartet sicher wieder eine neue Teufelei auf uns!"
murmelte Tai.
„Möglich. Aber wir müssen es versuchen. Denke daran, daß auch die Tbahrgs solche Punkte brauchen, an denen sie sich entspannen konnten." Sie schafften es nach einer Weile, in die betreffende Richtung zu schwanken.
Die Hitze des Mittags hatte nachgelassen. Die Schatten wurden länger. Es gab mehr Kühle und immer wieder kleine Seen und Bäche und Quellen, an denen sie sich das geronnene Blut von der Haut waschen konnten.
Im Verlauf von zwei Stunden erreichten sie den Fuß der etwa zweihundert Meter hohen Barriere aus gelbem Sandstein.
Inzwischen hatten sie sich gereinigt und gesehen, daß die" Wunden nicht gefährlich waren. Trotzdem fühlten" sie sich keineswegs wohl, denn sie wußten genau, daß sie ungeladene Gäste in dieser Welt waren.
*
Sie kletterten eine schräge Wand hinauf und fanden eine leere Höhle.
Sie waren zu erschöpft, um lange zu suchen. Sie erkannten ein breites Lager, eine Einrichtung, die ihnen Essen und Getränke lieferte, und alle anderen Dinge, die es hier gab: Bäder, Duschen, neue Kleidung, Tücher und Duftstoffe.
Zuerst tranken und aßen sie.
Sie hoben die Pokale voller Wein und sahen, wie automatische Spender ausgesucht gute Speisen lieferten.
Dann bemühten sie sich um ihr körperliches Wohl.
Das warme Wasser von duftenden Bädern löschte ihre Schmerzen aus. Der Friede und das Glück, das sie nach dem Betreten von Glücksstadt gefunden hatten, stellten sich in kurzer Zeit wieder ein. Alle ihre strapazierten Nerven beruhigten sich, und als sie, von brausenden und duftversprühenden Luftströmen getrocknet, aus den Kabinen der technifizierten Höhlen hervorkamen, hatten die beiden Solaner den Terror der Kristallwälder fast völlig vergessen. Und zuletzt spürten sie, wie die ultimate Harmonie sie wieder ergriff.
Sie fühlten sich wohl. „Es ist wirklich eine Stätte des Glücks", sagte Jusca leise und streichelte das Haar Tais. „Wir sind zweimal in die tiefsten Schrecken hinabgetaucht und unversehrt daraus hervorgekommen: Und jetzt fühlen wir uns schon wieder entspannt und glücklich.
Ich weiß, daß ich noch niemals in den vergangenen zwei Jahrzehnten so intensiv dieses Glück gespürt habe."
„Es ist tatsächlich seltsam", meinte Tai
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