0774 - Die Stadt des Glücks
Strahlkegel, die von kugelförmigen Elementen unterhalb der Decke ausgingen. Sie hüllten die Toten ein und beleuchteten die regungslosen Körper. Klänge fremdartiger, trauriger Musik waren zu hören.
Jusca und Tai wagten nicht, sich zu rühren oder auch nur zu flüstern. Eine Art ehrfürchtiges Staunen lähmte sie beide.
Es schien etwas Ähnliches wie ein Begräbnisritus zu sein. Starr warteten die jüngeren Planetarier. Die Tore des Eingangs schlossen sich leise, die Raumbeleuchtung erlosch. Jetzt waren nur noch die Strahlenkegel zu erkennen, deren Energie die toten Körper zu beeinflussen schien. Atemlos sahen die Solaner zu.
Das Summen wurde leiser und verging schließlich.
Unterhalb der kugelförmigen Projektoren schwebten plötzlich winzige Vierecke aus golden schimmerndem Material.
Die Kantenlänge der offenen Rahmen betrug nur wenige Zentimeter. Zwischen den Projektoren und den Körpern der Toten, die sich aufzulösen schienen, bestand mit einiger Sicherheit eine Wechselwirkung. Es schien, als ob die Rähmchen die Körperenergie filtern oder aufsaugen würden.
Die Haut der Toten, die bisher stumpf und transparent gewesen war, wurde gelblich und undurchsichtig. Gleichzeitig schrumpften die Körper. Das Rähmchen glühte weiß in dem ununterbrochen pulsierenden Strahlenkegel.
Eine Reihe von Vermutungen schoß durch Spolk Taicichis Kopf.
Aus der Stadt wurden die Toten hierher gebracht. An dieser Stelle wurden sie auf eigentümliche Weise bestattet. Sie lösten sich in der Energiekammer auf. Die Strahlung und diese merkwürdigen Rähmchen schienen etwas mit der körpereigenen Energie zu tun zu haben, die noch in den Verstorbenen vorhanden war. Das konnte nur bedeuten, daß diese Leichen keineswegs alt waren, sie wurden durch die Röhrenbahn hierher gejagt, sobald sie ohne Leben waren.
Ging die Körperenergie in den Rahmen über? Kristallisierte sich dort das, was in der Terminologie des Homo sapiens die „Seele" genannt wurde? Es sah so aus, aber Tai war nicht in der Lage, weitergehende Spekulationen darüber anzustellen, denn plötzlich veränderte sich das Bild erneut.
Die geschrumpften Körper der Toten, die in den glatten Mulden der halben Zylinder lagen, zerfielen zu kristallinem Staub, der ebenfalls aufgelöst wurde. Die Rähmchen glühten noch einmal lodernd auf und verloren dann ihre Helligkeit. In dem schwächer werdenden Strahlenkegel sanken sie langsam herunter und blieben in den nun leeren, „Särgen" liegen.
Die Strahlung erlosch.
Summend glitten die gläsernen Fronten nach oben, während die Beleuchtung im großen Raum sich wieder einschaltete.
Schweigend gingen die Tbahrgs auf die Bahren zu und ergriffen die kleinen Rahmen, die jetzt eine silberne Farbe angenommen hatten. Sie befestigten sie an dünnen Ketten, die sie sich um den Hals legten. Die viereckigen Geräte hingen genau auf der Brust, auf der nackten Haut.
Konnte es sein, daß die Tbahrgs glaubten, die „Seele" oder die kondensierte Lebensenergie der Gestorbenen würden aus dem Rähmchen wirklich auf den Träger übergehen?
Jusca legte einen zitternden Arm um Tai und murmelte: „Das müssen die Kinder der Verstorbenen sein. Sie nehmen das Andenken an ihren Vater oder ihre Mutter an sich - in dieser Form."
Während die Solaner sich an die Seitenwand zurückzogen, gingen die jungen Tbahrgs an ihnen vorbei, schweigend und voller Haß. Jedenfalls deutete Tai den Ausdruck in ihren schmalen Gesichtern so und nicht anders. Die Musik wurde leiser und schwieg dann.
Einer nach dem anderen verließ die Begräbnisstätte. Sie waren in ihrer Andacht gestört worden, daran bestand kein Zweifel. Die Raumfahrer folgten ihnen. Als sie sich am Eingang noch einmal umdrehten, sagen sie, daß sich die Zylinder wieder schlossen und in Klappen der dahinterliegenden Wand verschwanden.
Wieder begann das dröhnende Summen.
Draußen blieb Tai stehen und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.
„Wir hätten nicht hierher kommen sollen", sagte Jusca. Sie schüttelte wild den Kopf. Die Kinder der Verstorbenen gingen zwar in die Richtung der wartenden Kabine, aber immer wieder blieben sie stehen, drehten sich um und warfen drohende Blicke in die Richtung der Fremden.
„Ich konnte nicht ahnen, daß wir eine Begräbnisstätte finden würden", erwiderte er. „Es ist Nacht. Wir müssen uns einen Platz suchen."
„Aber auf keinen Fall in der schwarzen Schlucht."
„Wo sonst?"
„An einer anderen Stelle. Wir gehen einfach geradeaus.
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