078 - Im Netz der Lüge
tatsächlich mitnehmen?« , fragte er, um sich von dem Gedanken abzulenken.
»Natürlich.« Aruulas entschlossener Gesichtsausdruck verriet ihre Sturheit.
»Ein solches Tier hat einen großen Wert.«
»Nur wenn man tatsächlich etwas damit anfangen kann« , sagte Mr. Black und streckte einen Arm aus, um Matt auf die Füße zu ziehen. »Für uns ist es eine Belastung.«
»Er hat Recht.« Aiko wirkte klein neben dem Bären. »Das Tier ist viel zu schwer.«
»Nicht, wenn wir es zerteilen.« Aruula verschränkte die Arme vor der Brust. Auf Matt wirkte es nicht so, als ob sie einer weiteren Diskussion offen gegenüberstand.
»Wie wäre es mit einem Kompromiss?« , fragte er. »Wir zerteilen den Bär, nehmen alles mit, was die Yakks ohne große Mühe ziehen können, und lassen den Rest hier. Einverstanden?«
Mr. Black neigte den Kopf. »Wissen Sie, wie lange so etwas dauert?«
Er sah Aruula an. Die hob die Schultern.
»Bis zur Dämmerung, vielleicht auch länger. Es ist ein großes Tier.«
Matt dachte an die Scheinwerfer der anderen, fremden Expedition. Sie war nahe, aber ihre Spuren würden auch einen weiteren Tag überdauern.
»Okay« , sagte er. »Hat jemand heute noch was vor?«
Mr. Black seufzte. Aruula lächelte und griff nach ihrem Schwert, während Honeybutt in den Satteltaschen eines Yakks Messer zusammenzusuchen begann.
Nur Aiko blieb neben dem Bären stehen und nickte Matt zu, als er dessen Blick bemerkte.
»Sieh dir das mal an.«
Matt trat neben ihn. Tot erschien ihm der Bär fast noch größer zu sein. Wie ein riesiger Fleischberg lag das Tier vor ihm. Der Raubtiergestank, der von ihm ausging, war beinahe unerträglich
»Was ist?«
Aiko ging in die Knie und zog das Fell am Hals des Bären auseinander.
Darunter befand sich etwas, das wie ein schmutzigweißer Strick aussah.
»Ist das Stoff?«
Aiko nickte. Seine Finger berührten den Streifen. »Ein sehr weicher Stoff, vielleicht eine Art Seide.«
»Die Kleidung seiner letzten Mahlzeit?« Matt hockte sich neben ihn. Der Stoffstreifen wirkte beinahe wie ein Halsband. »Oder glaubst du etwa, dass wir das Haustier von jemandem umgebracht haben?«
»Keine Ahnung.« Aiko schien die Idee, die er als Scherz gesagt hatte, Ernst zu nehmen. »Wenn ja, sollten wir dem Besitzer besser nicht begegnen.«
Er ließ das Fell zurück über den Stoffstreifen gleiten.
***
Majela fand Jed in einem kleinen Waldstück am Ufer des Sees. Er saß auf einem umgestürzten Baumstamm, das Tagebuch auf den Knien. Seine Finger spielten nervös mit einem Kugelschreiber.
Die aufgeschlagene Seite war leer.
Er sah auf, als er sie bemerkte.
»Du solltest vorsichtiger sein« , sagte Majela. »Ich glaube, Smythe ahnt, dass du nicht das übersetzt hast, was er wollte.«
»Und woher willst du das wissen?«
Sie setzte sich nicht neben ihn, sondern blieb vor dem Baumstamm stehen.
»Weil deine Mundwinkel zucken, wenn du lügst. Du bist kein guter Lügner.«
»Im Gegensatz zu dir.« Er schlug das Tagebuch mit einem Knall zu und stand auf. »Du bist eine ganz hervorragende Lügnerin.«
»Jed…«
Er ließ sie nicht ausreden. »Deshalb bist du doch hier und nicht Pieroo, oder? Er geht mir nämlich den ganzen Morgen schon aus dem Weg. Du hast ihm vermutlich gesagt, er soll sich keine Sorgen machen, weil du die Sache wieder hinbiegen wirst. Schließlich hast du mich ja unter Kontrolle.«
Sie hatte seine Gegenwart noch nie als Bedrohung empfunden, aber als er jetzt vor ihr stand und mit mühsam unterdrückter Wut auf sie herabblickte, ertappte Majela sich dabei, instinktiv einen Schritt zurück zu treten.
»Ein paar Blicke, ein paar Berührungen, ein paar Lügen, und schon tanzt der Doc nicht mehr aus der Reihe. Wenn du mich wirklich für so verdammt dumm hältst, dann solltest du meine und deine Zeit nicht verschwenden und mich in Ruhe lassen.«
Etwas in seinen Augen flackerte; ob es Ärger war oder Enttäuschung, konnte Majela nicht sagen. Sie wich seinem Blick aus und ging ein paar Schritte zum Ufer, um Zeit zu gewinnen.
Sein plötzlicher Ausbruch hatte sie völlig überrascht, zeigte jedoch, dass er diesen Ärger bereits seit Wochen oder sogar Monaten mit sich trug. Der Zwischenfall mit Fräapoth am heutigen Morgen war wohl nur der berühmte letzte Tropfen gewesen.
Warum habe ich das nicht bemerkt? , dachte Majela, auch wenn sie die Antwort insgeheim kannte. Sie war sich zu sicher gewesen, hatte geglaubt, ihm würden ihre Lügen und Ausflüchte nicht auffallen.
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