0780 - Der Geist des Baphomet
warum hast du das Messer…?«
Mein Gesicht verzerrte sich, als ich diese schlimme Frage hörte. Ich musste etwas sehen, deshalb holte ich die starke Bleistiftleuchte hervor. Es war klar, dass ich damit auch ein Ziel abgab, nur vertraute ich darauf, dass die Frau nicht auch noch eine Schusswaffe besaß.
Die grauen Wände huschten rechts und links an mir vorbei. Ich hörte meine eigenen Schritte, als sie von den harten Echos eingeholt wurden. Rechts lagen die offiziellen Räume des Bürgermeisters und des Konstablers. Da hatte ich auch den Toten entdeckt. Linkerhand befanden sich die Klassenzimmer.
Dort stand eine der beiden Türen offen.
»Mummy, was machst du?«
Die Stimme des Jungen zitterte vor Furcht. Sie drang aus dem ersten Klassenzimmer an meine Ohren. Ich hörte auch die Antwort der Frau. »Kein Licht, hörst du? Kein Licht!«
Hastige Schritte, dann fiel etwas um, ein Stuhl oder ein Tisch. Ein Fluch folgte.
Ich zerrte die Tür auf und strahlte in den Raum. Dicht hinter der Schwelle fand ich meinen Standplatz, und zuerst huschte der gelbe Finger über das Gesicht des Jungen, der einen Stuhl in die Höhe gerissen hatte, mit dem Rücken an der Wand stand und sich mit dem Sitzmöbel gegen seine Mutter wehren wollte.
Sie glitt auf ihn zu. Ich drehte die Hand mit der Lampe etwas nach rechts. Die Klinge eines Messers blitzte, als der helle Schein sie traf.
Einen Moment später strahlte er in die Augen der blonden Frau mit dem bleichen Gesicht.
Sie blinzelte, fluchte wieder, war abgelenkt, und ich nutzte die Gunst der Sekunde aus, um das Klassenzimmer zu durcheilen.
Plötzlich stand ich zwischen ihr und dem Jungen.
Sie fluchte wieder und warf sich vor.
Ich schleuderte ihr mit einem Fußtritt einen Stuhl entgegen. Die Frau konnte nicht ausweichen, sie stolperte vor und dabei genau auf mich zu.
Mit der linken Faust schlug ich zu.
Es war der berühmte Knockout.
Die Frau wurde am Kinn getroffen, dann in die Höhe geschleudert und kippte zurück. Sie fiel über einen in der Nähe stehenden Tisch und rollte von dort auf einen Stuhl, den sie mitriss, dann damit zu Boden krachte und sich nicht mehr rührte.
Dennis wollte vorlaufen, ich war dagegen. Als er meinen Schrei hörte, blieb er stehen.
Ich blieb vorsichtig, als ich mich der Frau näherte. Es konnte auch ein Trick ihrerseits sein. Ich bückte mich und drehte ihr das Messer aus der Hand. An der Klinge klebten noch Blutreste. Ich war davon überzeugt, dass es das Blut ihres Mannes war, nur wollte ich das vor Dennis nicht laut zugeben.
Ich fesselte die Frau mit dem Klebeband, das ich sicherheitshalber mitgenommen hatte. Dennis schaute zu, als ich die Hand- und Fußgelenke zusammenband.
»Was tust du da, John?«
»Es muss sein. Ich will dich schützen, ich will aber auch deine Mutter vor sich selbst schützen.«
Er nickte, dann drehte er sich um und stellte sich in die Ecke. Ich hörte ihn weinen, und in mir stiegen das Grauen, der Hass und gleichzeitig die Wut hoch. Diese Nacht war furchtbar, unbeschreiblich, und sie war noch nicht zu Ende, denn wir hatten nicht einmal die Tages wende erreicht.
Ich schob die gefesselte Frau unter einen Schultisch, wo sie nicht sofort entdeckt werden konnte. Dann richtete ich mich auf. Der Junge stand noch immer an demselben Fleck. Er hatte seine Stirn gegen die Wand gedrückt.
Ich ließ ihn weinen und kümmerte mich um das Fenster. Mein Blick fiel auf den Schulhof, der in einer grauen Suppe ertränkt wurde. Dieser kalte Novembernebel hatte zugenommen, und ich dachte daran, dass die Helfer ebenso mit ihm zu kämpfen hatten. Sie würden sich durch die Suppe quälen müssen.
»Warum tut sie das? Warum hat Mummy so etwas getan…?« Die weinerlich gestellte Frage versetzte mir einen Stich. Ich hätte sie Dennis sogar beantworten können, darauf verzichtete ich jedoch. Er hätte es nicht begriffen. Ich selbst hatte ja damit große Schwierigkeiten. Ich wusste auch nicht genau, ob der Junge normal war. Jedenfalls hatten ihn die Kräfte der Flut nicht so stark erwischt. Als ich ihn fand, da hatte er auf dem Boden gesessen, um sich herum die Kadaver von zwei toten Hunden. Aber daran wollte ich nicht denken. Ich musste mich um ihn kümmern und ihn in Sicherheit bringen, wobei es hier in Trevine eigentlich keine Sicherheit gab. Am besten wäre es gewesen, wenn ich mich mit ihm in den Rover gesetzt hätte und weggefahren wäre. Doch den Wagen mussten wir erst einmal erreichen, und auf dem Weg dorthin konnten mehr als tausend
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