0782 - Knochenbrut der alten Templer
die Seite Baphomets wechselte. Ich gehe weiter davon aus, dass Baphomet ihm dies übel genommen hat und versuchen wird, den Sessel in seinen Besitz zu bekommen. Er hat sich seiner uralten Diener erinnert, er hat sie als die schwarze Flut geschickt. Sie konnten es in diesem Zustand nicht schaffen, sie sind zu Skeletten geworden durch das Eingreifen Hector de Valois, aber auch als Knöcherne haben sie nicht aufgegeben, denn sie haben sich, wie wir alle sehen konnten, auf den Weg nach Alet-les-Bains gemacht. Ich rechne damit, dass die ersten bald hier erscheinen werden, um in das Haus einzudringen.«
»Sie wollen den Sessel zerstören.«
»Ja.« Lucien räusperte sich. »Nicht nur ihn, John. Sie wollen möglicherweise auch den Templer vernichten, aus dessen Gerippe sich der Sessel geformt hat. Ich gebe zu, es hört sich etwas kompliziert an, ich jedoch bin davon überzeugt, der Wahrheit einigermaßen nahe zu kommen. Wenn du eine andere Meinung hast, sage sie bitte.«
Ich schaute durch die Scheibe.
»Du schweigst?«
»Ich kann dir nicht widersprechen.«
»Dann bist du also der gleichen Ansicht wie ich?«
»Das denke ich schon.«
Lucien atmete auf. »Wir wissen, worauf wir nun achten müssen. Ich habe die Skelette nicht gezählt, weil ich in der Schlucht einfach zu geschockt war. Aber es waren mehr als zehn.«
»Wir werden auch sie schaffen.«
»Das hoffe ich.«
Nach diesem Dialog schlief unser Gespräch ein. Uns blieb nur das Warten. Mein Templer-Freund zog sich zurück. Er wollte nach den anderen schauen. Ich hielt die Stellung. Nicht dass mich die Nähe des Sessels unsicher gemacht hätte, doch es lief mir schon kalt den Rücken runter, wenn ich an ihn dachte.
Er war ein makabrer und dämonischer Transmitter in andere Welten. Natürlich dachte ich darüber nach, ob ich dort die Lösungen für meine Probleme finden konnte. War Avalon diese Möglichkeit? Ich wusste es nicht, ich kannte einfach zu wenig und strich mit einer beinahen zärtlichen Geste über die Stuhllehne hinweg. Das Gebein war nicht kalt. Eine leichte Wärme floss über die Innenhaut meiner Hand. Die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, weil ich das Gefühl gehabt hatte, eine Botschaft zu empfangen.
Noch einmal fasste ich nach. Nichts…
Wahrscheinlich nur Einbildung.
Aber die Bewegung auf dem Platz vor dem Haus hatte ich mir nicht eingebildet. Dort schlich jemand vorbei. Ein Schatten in der Nacht, allerdings leicht schimmernd, als würde durch die Knochen ein rötlichviolettes Licht irren.
Sie waren da! Ich drehte mich um, weil ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
»Lucien, ich habe…«
Meine Worte versickerten.
Es war nicht Lucien, der in den Raum getreten war. Auf der Schwelle stand ein Skelett, und es hatte sich bewaffnet. Mit beiden Knochenklauen hielt es eine lange Glasscherbe umklammert, von deren Spitze dunkles Blut zu Boden tropfte.
***
Die Templer hatten sich an die Worte und Empfehlungen des grauhaarigen Lucien gehalten und sich in den Räumen verteilt, von denen aus sie einen guten Überblick hatten.
Sie alle standen unter einem Druck. Sie wussten, dass ihre Sicherheit trügerisch war.
Jeder von ihnen war durch den Abbé darüber immer wieder informiert worden, wie gefährlich der Dämon Baphomet handelte, dass er keine Rücksicht kannte und seine Feinde dort tötete, wo er sie fand.
Das wusste auch Jean! Man konnte ihn nicht gerade als einen wilden Jüngling ansehen, ein Hitzkopf war er schon. Er hatte sich den Templern aus edlen Motiven angeschlossen. Er war nicht nur von ihrer Mission überzeugt, er wollte auch das Böse auf der Welt bekämpfen, denn er hatte erlebt, wie seine Schwester gewissenlosen Satanisten zum Opfer gefallen war. Von diesem Zeitpunkt an hatte es eine Zäsur in seinem Leben gegeben. Sein Sinnen und Trachten hatte er darin gesehen, alles Grausame zu vernichten. Er war in die Gemeinschaft der Templer aufgenommen worden, ohne dass die anderen von seinen Motiven wussten. Nur der Abbé war eingeweiht worden, und er hatte zugestimmt.
Jean kochte innerlich.
Die schrecklichen Minuten in der Schlucht hatte er vergessen. Die schwarze Flut gehörte der Vergangenheit an. Zurückgeblieben waren die Skelette, und die wiederum stufte er als nicht so gefährlich ein wie diesen tückischen Nebel.
Er konnte auch das Handeln dieses John Sinclair nicht begreifen.
Natürlich kannte er ihn. Der Abbé hatte oft genug von ihm gesprochen, doch bis vor wenigen Stunden hatte sich Jean ein völlig falsches Bild
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