0783 - Der Tunnel
ich erhielt die Meldung.«
»Haben Sie mit der Frau gesprochen?«
»Am Telefon. Auch da klang sie glaubwürdig, wenn ich das sagen darf. Nicht hysterisch, nicht übertrieben, ich hatte einen guten Eindruck von ihr.«
»Auch von Halloran?«
»Mit ihm habe ich nicht gesprochen, John, weil ich das Ihnen überlassen wollte.«
»Wie schön«, stöhnte ich. »Dann müssen Sie mir nur sagen, wo ich ihn finden kann.«
»Da er den Tunnel verletzt verlassen hat und nur von Lisa Braddock provisorisch behandelt werden konnte, hat man es für besser gehalten, ihn in ein Krankenhaus zur Beobachtung zu legen. Sie werden sicherlich noch heute mit ihm sprechen.«
»Das denke ich auch. Dann noch eine Frage. Ich werde auch den Tunnel untersuchen müssen. Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde?«
»Südlich von London. Allerdings auch nach Westen hin, und nicht weit von der Küste entfernt.«
»Ach«, staunte ich. »Was hat man denn dort alles finden wollen? Ich nehme an, dass nach irgendwelchen Bodenschätzen gegraben wurde.«
»Stimmt.«
»Ein Eingriff in die Umwelt.«
»Die Firma Mount Incorporated hat sämtliche Auflagen erfüllt. Zudem ist sie ein sehr großes Unternehmen und mit der entsprechenden Macht ausgestattet. Die arbeiten weltweit und bereiten praktisch den Boden vor, um die Rohstoffe abbauen zu können. Zudem mischt sie noch im Ölgeschäft mit.«
»Hatten Sie mit den Verantwortlichen dort ebenfalls Kontakt aufgenommen?«
»Darauf habe ich verzichtet. Dieser Fall ist nichts für die obere Etage, der ist etwas für Sie. Ich möchte, dass Sie vorsichtig sind, wenn Sie sich den Tunnel oder Stollen ansehen. Niemand kann sagen, was sich dahinter oder in ihm verbirgt.«
»Schwärze.«
»Ja – schon. Ich frage mich nur, ob sie tot ist oder so lebte wie die dunkle Flut.«
»Das werde ich herausfinden, Sir.«
Als ich aufstand, erhob auch er sich. »Wissen Sie, John, es ist mir selbst gegen den Strich gegangen, Sie aus Frankreich zu holen, aber ich sah keine andere Möglichkeit, und mich hat zudem der Begriff Avalon aufgeschreckt, wie Sie sich denken können.«
»Das hält auch mich aufrecht, Sir.«
»Ich habe es ernst gemeint.«
»Ich ebenfalls.«
Mein Chef gab sich etwas betreten. »Ich weiß genau, dass Sie sich ärgern, John, aber es gibt oft genug Sachzwänge, denen man sich beugen muss. Möglicherweise kommen Sie auf einem Umweg ans Ziel, der dann in Wirklichkeit kein Umweg ist. Jedenfalls kann sich der Mann den Begriff Avalon nicht einfach eingebildet haben.«
»Sicherlich nicht.«
»Ich habe danach geforscht, er ist kein Spinner, sondern steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen. Ich denke zudem nicht, dass er sich auch diese Gestalt, die ihn angegriffen und verletzt hat, einfach ausdenken konnte. Bei einem phantasievollen Kind wäre ich skeptisch gewesen, hier allerdings nicht.«
Meine Hand berührte die Klinke, ohne sie zu drücken. »Ich werde ihn ja besuchen, Sir, und mir von ihm ein eigenes Bild machen können. Wie schwer ist er denn verletzt?«
»Es geht schon. Ich denke auch nicht, dass er unbedingt im Bett bleiben muss. Man kann davon ausgehen, dass seine Verletzungen zum Großteil schon verheilt sind. Jedenfalls werden Sie keine Mumie zu sehen bekommen, denke ich.«
»Damit habe ich es auch nicht.«
Ich verabschiedete mich von meinem Chef und trat hinaus in den Flur, wo es etwas kühler war. Meine Augen brannten, jetzt kehrte wieder die Müdigkeit zurück. Ich würde es schaffen, gegen sie anzukämpfen, dabei würde mir auch Glendas Kaffee helfen.
Der Tag war relativ weit fortgeschritten. Die Dezember-Dunkelheit lag über der weihnachtlich geschmückten Stadt an der Themse und wurde zumindest in den Ballungszentren durch bunte Lichterketten unterbrochen, die ebenso wie die erleuchteten und festlich geschmückten Schaufenster zahlreiche Menschen, auch Touristen, zum Kauf anlocken sollten.
Weihnachten, dachte ich. Das Fest der gegenseitigen Erpressung.
Mir war nicht weihnachtlich zumute, ich hatte auch noch keine Geschenke besorgt. Das schönste Geschenk wäre gewesen, wenn ich Suko wieder heil und gesund zurückbekommen hätte. Doch dahinter stand ein gewaltiges Fragezeichen.
Glenda hatte auf mich gewartet, obwohl sie eigentlich schon hätte nach Hause gehen können. Sie schaute mich an, als ich das Büro betrat und meinte: »Irgendwie ist es so leer ohne Suko.«
»Da sagst du was.«
»Und? Siehst du eine Chance?«
Ich ließ mich auf der Kante ihres Schreibtischs
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