0783 - Der Tunnel
haben keine Augen«, stellte Braddock fest.
Ed ging nicht auf diese Bemerkung ein. Er sprach leise weiter. »Da ist trotzdem noch etwas gewesen. In der Dunkelheit schimmerte sogar eine Waffe. Sie sah aus wie eine Sense, sie war gebogen, und ich habe sie erlebt.«
»Wie?«
Der Verbundene richtete seinen Blick auf Jake Braddock. »Ich… ich lief hin. Es schnitt in meinen Körper und in mein Gesicht. Ich… ich fing an zu bluten, und ich weiß nicht, weshalb ich angegriffen wurde. Aber es war da, es folgte mir, es überholte mich und ließ mich immer gegen die Waffe laufen. Sie war dünn und scharf. Ich spürte den Schmerz, später nicht mehr, weil alles zusammenlief, bis ich dann selbst nicht mehr gehen konnte und zu Boden fiel.«
Er hatte eine lange Rede gehalten. Sie war sehr anstrengend gewesen. Ed drückte seinen Körper zurück. Es berührte mit dem Kopf die obere Lehne und atmete keuchend durch den offenen Mund. Dann bat er um einen Schluck Wasser.
Braddock stand auf und flitzte aus dem Raum. Er kam mit dem gefüllten Glas zurück. Halloran trank so hastig, als hätte er einen Brand in seiner Kehle zu löschen.
»Du bist dann irgendwann erwacht – oder?«, erkundigte sich Lisa.
Der Verletzte hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Ich brach nur zusammen. Ich weiß nicht mal, ob ich bewusstlos geworden bin. Alles war so anders, so schrecklich.«
»Aber du hast den Tunnel verlassen können.«
Ed räusperte sich. »Irgendwann bin ich wieder erwacht. Da konnte ich dann gehen, obwohl ich überall Schmerzen hatte. Die Wunden brannten, ich spürte überall das Blut, und ich weiß nicht, wer mich gerettet hat. Das Skelett oder die bleiche Gestalt waren es nicht. Vielleicht war ich in Avalon, vielleicht habe ich eine Grenze überschritten und…«
Braddock lachte in seine Worte hinein. »Aber nicht doch, Ed. Bitte nicht so.«
»Warum?« Lisas Stimme klang böse.
»Was soll das denn mit Avalon?« Er winkte mit beiden Händen ab, als wollte er es weit von sich weisen. »Das ist doch alles nicht wahr, verdammt! Das kann nicht stimmen.«
»Die Stimmen haben es mir zugeflüstert«, erwiderte der Verletzte leise.
Braddock winkte ab. »Hör mal, Ed. Du bist allein in diese, ich gebe zu, rätselhafte Dunkelheit hineingegangen. Du hast selbst erzählt, dass sie wie ein Schwamm gewirkt hat. Wenn jemand allein in die unbekannte Finsternis hineingeht, dann bildet er sich oft etwas ein, das kannst du mir glauben. Ich habe doch Mitarbeiter testen müssen. Nicht jeder ist für einen solchen Job im Stollen geeignet. Schon bei den Tests haben sie durchgedreht, obwohl sie nur in einer Simulationskammer gesessen haben. Es ist wirklich ein Problem, das kannst du mir glauben. Man bildete sich etwas ein, was gar nicht existiert, und vor allen Dingen nicht dieses… dieses Avalon.«
Ed Halloran schwieg, nicht aber Lisa. »Was redest du da?«, fuhr sie ihren Mann an. »Ich glaube ihm.«
»So? Dann mache ich dir einen Vorschlag. Geh du zu meinen Direktoren und erkläre Ihnen, was Ed erlebt hat. Sie werden dich gar nicht zu Ende reden lassen. Die schmeißen dich schon vorher raus. Ich werde dazu nämlich nichts sagen, das muss Ed ihnen allein erklären.«
»So? Muss er das?«
»Ja.«
»Und ich habe gedacht, Jake, Ed ist dein Freund!«
»Das ist er auch. Deshalb brauche ich doch nicht jeden – fast hätte ich Schwachsinn gesagt – nachzuplappern. Ich gebe zu, dass die Dunkelheit mehr als ungewöhnlich ist, sogar rätselhaft, aber wir werden den Grund ihres Entstehens schon herausfinden.«
»Durch die Technik, nehme ich an.«
»Richtig.«
Lisa verzog das Gesicht. »Nein, Jake, du gehst den falschen Weg. Das ist kein Fall für die Technik. Das ist einer für einen Parapsychologen oder einen Menschen, der sich mit diesen Kräften beschäftigt, der sein Gehirn geweitet hat und nicht mit Scheuklappen durch die Gegend läuft. Geh du deinen Weg, ich werde mich mit einem derartigen Mann in Verbindung setzen.«
Jake Braddock lachte. »Ist ja auch so einfach. Die gibt es in London wie Wassertropfen in der Themse.«
»Das nicht.«
»Aber?«
»Ich erinnere mich, in den entsprechenden Zeitungen mal über unheimliche und unerklärliche Vorgänge gelesen zu haben. Da hat sich sogar Scotland Yard dahintergeklemmt. Deshalb werde ich mich mit dem Yard in Verbindung setzen, wobei ich nicht hoffe, dass ich auf taube Ohren stoßen werde. Ich denke schon, dass man mir zuhört.«
Jake kannte seine Frau. Was die
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