0788 - Schreckensnacht der weißen Nonne
sagte mir, dass ich mich daran gewöhnen würde. Die Äbtissin hat sich zwar nicht gerade als Heilige bezeichnet, aber sie hat uns immer zu verstehen gegeben, dass sie in Ruhe in der Kapelle mit den Heiligen sprechen wollte.«
Ich lächelte schief. »Habt ihr das wirklich geglaubt?«
»Ja, ja, natürlich.« Anina nickte. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie überzeugend sie war. Nur ihre beiden Vertrauten durften sie begleiten.«
»Wie heißen sie denn?«
»Schwester Monica und Schwester Larissa.«
Die Namen sagten mir nichts. Ich wollte auch keine weiteren Fragen mehr stellen. Was wir hier durchackerten, war die reine Theorie.
Mir kam es darauf an, die Praxis zu erleben, und das konnte ich nur im Kloster.
»Gut«, sagte ich, »fahren wir zum Kloster und schauen wir es uns mal aus der Nähe an.« Diesmal allerdings fuhr ich mit der vollen Beleuchtung. Das Fernlicht enthüllte uns ein fremdes Umfeld, das wie durch große Hände von der Dunkelheit befreit worden war. Es war ein sehr flaches Land, trotz kleiner Mulden und buckliger Hügel.
Ein aus dem Boden ragender Felsen erweckte mein Interesse auch deshalb, weil seine Einschlüsse silbrig schimmerten. Daneben lag etwas Dunkles, dessen Form selbst im grellen Licht nicht so recht zu erkennen war. Jedenfalls machte es mich misstrauisch. Wir fuhren langsamer heran, beide sahen wir zugleich, dass es ein Körper war, wenn auch verfremdet.
Anina neben mir sah aus, als wolle sie jeden Augenblick in die Höhe springen und durch das Dach schießen. Ein zischendes Geräusch drang aus ihrem linken Mundwinkel, dann blickte sie mich an. Ich fuhr weiter, ohne etwas zu sagen und schwieg auch, als der Wagen neben dem starren Etwas stoppte.
»Willst du mit mir aussteigen?«
»Natürlich, John. Es ist ein Toter, nicht wahr? Er muss umgekommen, er muss dabei sogar verbrannt sein.« Ihr Blick richtete sich nach innen. »Denkst du dabei auch an das grelle Licht?«
Ich enthielt mich einer Antwort und verließ den Rover. Um die Kühlerhaube musste ich herumgehen. Ich hatte das Fernlicht gelöscht und verließ mich auf den Strahl meiner Bleistiftleuchte, der zuckend über den Boden wanderte und schließlich einen Körper anleuchtete, der im Prinzip keiner mehr war.
Mein Mund trocknete aus, als ich das Etwas sah. Eine gekrümmte, völlig verbrannte Gestalt, über die der Wind hinwegfuhr und von einigen Stellen kleine, schwarze Stücke löste, die wie dunkle Flocken davonwirbelten.
Ich ging in die Hocke. Anina kam zu mir. Ich hörte ihre gedämpft klingenden Tritte. So leise wie möglich bewegte sie sich und beugte sich dem makabren Fund entgegen.
Wenn der Körper verbrannt war, hätte er noch warm sein müssen.
Ich strich mit einer Hand darüber hinweg, spürte aber nur die knisternde und kalte Asche zwischen den Fingern. Der war zwar verbrannt, aber nicht auf normale Art und Weise.
»Es war das Licht«, murmelte Anina. »Es muss das Licht gewesen sein, John.«
»Dann ist die Äbtissin eine Mörderin.«
Die junge Frau widersprach mir nicht. Sie strich ihre Haare zurück. »Ja, es sieht so aus.«
»Und warum ist das geschehen? Wie kann die Chefin eines Klosters eine Mörderin sein?«
»Ich weiß es nicht, John. Aber es kommt ja noch etwas hinzu. Sie hat diesen Mann ja nicht auf eine normale Art und Weise umgebracht. Diese Frau ist so etwas wie eine Lichtquelle, eine Ausgeburt der Magie, sage ich mal.« Anina zuckte zurück. »Habe ich Magie gesagt?«, hauchte sie.
»Das hast du.«
»Ich wollte es nicht.«
»Aber du wirst kaum falsch dabei liegen.« Es brachte nichts, wenn wir über den Tod dieses Menschen noch lange herumrätselten, wir mussten ihn hinnehmen, und wir mussten seine Mörderin finden.
Wenn ich mir den Körper im Lampenschein anschaute, dann sah er so aus, als würde er aus fettiger Holzkohle bestehen.
Anina machte mich auf einen Rucksack aufmerksam, den sie dicht neben dem Felsen gefunden hatte. Gemeinsam untersuchten wir ihn und holten seinen Inhalt hervor. Pullover, eine Hose, Unterwäsche, teilweise schmutzig, einige Landkarten, auch Papiere, die uns Hinweise auf die Identität des Toten gaben.
Wir fanden heraus, dass der Mann Pinky Eagle geheißen hatte.
Wenn wir eins und eins zusammenzählten, mussten wir bei Durchsicht des Gepäcks zu dem Entschluss kommen, dass es sich bei dem Toten um einen Landstreicher handelte.
»Ihn wird wohl kaum jemand vermissen, denke ich.«
Ich gab Anina Recht. »Ja, ein derartiger Mensch ist eine ideale Beute.
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