079 - Der Körperdieb
selbst noch unbegreiflich, daß ihm die Flucht geglückt war. Wenn er ehrlich war, hatte er an einen Erfolg nicht geglaubt. Er hatte es einfach versucht, und es hatte geklappt.
Aber er wagte sich über seine Rückkehr noch nicht zu freuen, denn Kanutto konnte diese Freude sehr schnell zunichte machen. Jeder, der Kanutto auf den Fersen hatte, mußte ihn fürchten, denn was Asmodis da geschaffen hatte, war an tödlicher Grausamkeit kaum noch zu übertreffen.
Peckinpah nahm wieder einen Zug von der Zigarre. Länger als ein Jahr hatte er auf diesen Genuß verzichten müssen. Um so mehr genoß er die Zigarre jetzt.
Ein Geräusch ließ ihn plötzlich zusammenzucken. Seit er die Hölle verlassen hatte, waren seine Sinne ungemein geschärft. Suchend wanderte sein Blick durch den Raum.
Kanutto? Hatte ihn der Exekutor der Hölle gefunden?
Tucker Peckinpah erhob sich nervös. Er legte die Zigarre in den Aschenbecher und begab sich zum Gewehrschrank.
Funkelnagelneue Waffen standen da. Peckinpah hatte sie kurz vor seiner Entführung gekauft. Die alten Gewehre hatte er Geschäftsfreunden geschenkt. Natürlich waren sie nicht wirklich alt gewesen. Mit einigen war kein einziger Schuß abgefeuert worden. Peckinpah hatte sie nur ausgewechselt, weil er Waffen besitzen wollte, die dem neuesten Stand der Technik entsprachen.
Er griff sich eine Schrotflinte und lud sie. Ihm war klar, daß er damit nichts gegen Kanutto ausrichten konnte. Aber er wollte wenigstens das Gefühl haben, sich wehren zu können.
Vielleicht schaffte er es, Kanutto zu irritieren, den Geländewagen zu erreichen und erneut zu fliehen.
Es muß nicht Kanutto sein, der sich da draußen herumtreibt, sagte sich Tucker Peckinpah. Es kann sich um ein harmloses Tier handeln, das sich zu nahe an die Jagdhütte heranwagt.
Peckinpah drehte das Licht ab. Nur eine kleine Stehlampe brannte noch. Der Industrielle schlich an der Wand entlang und erreichte das Fenster. Mißtrauisch blickte er hinaus.
Die Schwärze, die Nacht für Nacht in den Wald kroch, war fast perfekt. Niemand war zu sehen. Undeutlich waren die dicht beisammenstehenden Stämme der Bäume zu erkennen.
Hinter jedem konnte die Gefahr lauern. Peckinpah überlegte, ob er das Geräusch vergessen oder die Hütte kurz verlassen sollte.
Vielleicht trieb sich dort draußen ein völlig harmloser Mensch herum, der wissen wollte, wer sich in der Jagdhütte, die so oft leerstand, befand.
Tucker Peckinpah wandte sich um und verließ den Raum. In der kleinen Diele blieb er kurz stehen. Wenn er bloß Weihwasser hier gehabt hätte, dann wäre es ihm möglich gewesen, die Schrotpatronen zu präparieren. Aber in der ganzen Hütte gab es keinen einzigen Tropfen geweihten Wassers.
Es gab überhaupt nichts hier, womit man schwarze Wesen vernichten konnte, und natürlich hatte der Industrielle auch nichts bei sich, womit er dem Exekutor gefährlich werden konnte.
Peckinpah schob den dicken Eisenriegel zur Seite und drehte den Schlüssel nach links. Dann zog er vorsichtig die Tür auf und trat in die kühle, finstere Nacht hinaus.
Überall schien es geisterhaft zu wispern. Der Wald schien auf eine unheimliche Art zu leben. Hier knarrten alte dürre Stämme, dort knackte morsches Holz.
Für einen, der eine Flucht aus der Hölle hinter sich hatte, waren all diese Geräusche alarmierend und beängstigend. Zum erstenmal kamen dem Industriellen Zweifel daran, daß er richtig gehandelt hatte.
Wäre es nicht doch vernünftiger gewesen, sich in die Obhut von Tony Ballard und seinen Freunden zu begeben? War es wirklich richtig gewesen, sich hier ganz allein zu verkriechen?
Kanutto war ein gefährlicher Spürhund. Würde er jemals eine Fährte verlieren?
Peckinpahs Finger umschlossen den Schaft der Flinte fester.
Er wollte einmal um die Hütte gehen und sich dann wieder einschließen. Zaghaft setzte er den ersten Schritt. Er versuchte auf alles zu achten, und wenn ihm Kanutto entgegengetreten wäre, hätte er die Waffe sofort auf ihn gerichtet und abgedrückt.
Vielleicht vermochte die Schrotladung den Exekutor der Hölle niederzuwerfen, dann war wertvolle Zeit gewonnen.
Peckinpah bog um die Ecke. Seine Wangenmuskeln zuckten. Mit jedem Schritt spannten sich seine Nerven mehr.
Sein sechster Sinn warnte ihn vor einer großen, unsichtbaren Gefahr. Furcht grub sich in sein Herz. Wie hatte er nur glauben können, daß es möglich war, dem Schicksal, das ihm der Teufel zugedacht hatte, zu entgehen?
Mit einem einzigen Wesen
Weitere Kostenlose Bücher