0790 - Kristall aus der Vergangenheit
was über zwanzig Stunden lag, entzog ihm zu viel Kraft.
Zamorra konzentrierte sich und versetzte sich in eine Art Halbtrance. Kurz darauf zeigte sich inmitten des stilisierten Drudenfußes, der das Zentrum des Amuletts bildete, die Schaltkonsole. Die Zeitschau bildete wie auf einem kleinen Fernsehbildschirm die unmittelbare räumliche Umgebung des Amuletts ab. Auf dem Bild bewegte sich nichts, doch Nicole wusste, dass Zamorra die Zeit auf dem Bildschirm langsam rückwärts laufen ließ, bis zum Moment des Unfalls.
Tatsächlich sahen sie kurz darauf den zuckend an dem Bedienungselement hängenden Gerome. Es war makaber, seinen Körper unter den Stromschlägen erbeben zu sehen, ohne einen Ton zu hören. Gleich darauf war wieder nur die leere Schaltkonsole zu sehen. Wenig später, also weiter in der Vergangenheit, hantierte ein Mann daran herum und verschwand wieder.
Das war geschehen, bevor Gerome gestorben war. Der Unbekannte musste die Steuerkonsole manipuliert und als tödliche Falle zurückgelassen haben.
Zamorra stoppte den Rückwärtsgang der Zeit und ließ das Bild wieder »vorwärts« ablaufen.
Nicole und Zamorra konnten deutlich beobachten, wie der Mann, den sie eben schon im Rückwärtsgang gesehen hatten, an die Schaltkonsole herantrat und sich an ihr zu schaffen machte. Zamorra trat ein wenig zur Seite und änderte dadurch den Blickwinkel, aus dem das Geschehen aufgezeigt wurde.
Der Mann - auffallend waren seine langen, ölig glänzenden und straff nach hinten gekämmten schwarzen Haare -löste ein Kabel im Inneren der Konsole. Dabei ging er offensichtlich sehr geschickt zu Werke, denn der Techniker war nicht einmal auf die Idee gekommen, es könne sich um einen gezielten Mordanschlag handeln.
»Auf, Zamorra, folgen wir dem Unbekannten«, sagte Nicole.
Mit Hilfe des kleinen Bildes auf Merlins Stern verfolgten sie den Weg des Mörders. Der Zeitablauf des kleinen Bildes auf dem Amulett spielte sich jetzt synchron zur Realzeit ab, nur eben vier Stunden in der Vergangenheit.
Der Mörder wartete zunächst einige Meter von der als Mordinstrument zweckentfremdeten Steuerkonsole entfernt ab. Dann stahl sich ein zufriedenes Lächeln auf seine harten Gesichtszüge. Es musste sich um den Moment handeln, als seine Falle den gewünschten Erfolg brachte.
Nicole empfand tiefe Abscheu vor diesem Mann. Seine ganze Erscheinung war ihr zuwider.
Der Schwarzhaarige verließ seinen Beobachtungsplatz und stieg in ein Auto. Es stand auf demselben Parkplatz wie Nicoles Cadillac, aber mehr als zwanzig Meter entfernt.
Zamorra und Nicole verstanden sich ohne Worte. Zamorra war in tiefe Konzentration versunken, die andauernde Zeitschau begann merklich an seinen Kräften zu zehren. Er fror das Bild ein.
Nicole rannte rasch zu ihrem Cadillac und fuhr die kurze Strecke zu dem wartenden Zamorra. Der sprang schnell in den Wagen, als Nicole ihm die Tür öffnete. Die Fahrt ging los.
Ein fahrendes Auto auf einem dermaßen kleinen Bildschirm zu verfolgen war ein Problem. Zamorra konnte stets nur die unmittelbare räumliche Umgebung in dem Drudenfuß des Amuletts abbilden lassen. Wenn sie einmal die Spur verloren, war es schwierig, sie wiederzufinden.
Der unbekannte Mörder fuhr in aller Ruhe durch die Straßen der kleinen Stadt. Verfolgung oder Entdeckung durch die Polizei schien er nicht zu fürchten.
Einmal gelang es Zamorra und Nicole nicht, an derselben Einmündung abzubiegen wie er. Sie fuhren geradeaus weiter, verloren die Sicht auf das verfolgte Auto. Nur mit Mühe fand Zamorra den richtigen Zeitrahmen wieder, als Nicole etliche Meter zurückgefahren war. Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
Schließlich sah Nicole den Wagen vor einem Haus stehen, den sie bislang nur auf Merlins Stern gesehen hatte.
»Wir sind da«, sagte sie, und Zamorra löste sich aus der Halbtrance. Das Bild auf dem Amulett verblasste.
»Unser Freund mit der Hakennase wird uns einiges zu erzählen haben«, meinte Zamorra erschöpft. »Er fühlt sich wohl sehr sicher. Er hat sich keine besondere Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen. Ob er den Dhyarra hat?«
»Spekulieren ist müßig, Chef«, meinte Nicole. Sie parkte den Cadillac. Gemeinsam gingen sie auf das Haus zu, in dem sich der Mörder Geromes befinden musste. »Auf jeden Fall nehmen wir der örtlichen Polizei mal wieder die Arbeit ab.«
»Das scheint unser Los zu sein. Als ob wir mit den Höllenmächten nicht genug Ärger hätten.«
***
Maurice Simonet, der Führer der
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