0790 - Kristall aus der Vergangenheit
mitzuteilen.«
»Ob es eine Falle ist?«
»Man kann nie wissen. Seine Angst schien echt zu sein, was dagegen spricht.«
Nicole bremste und legte den Rückwärtsgang ein. »Ich bin vorbeigerauscht.« Mit quietschenden Reifen fuhr sie zurück, an einer Einmündung vorbei. Sie legte den ersten Gang ein und setzte den Blinker. »Wir sind gleich da, Chef.«
»Hoffen wir, dass wir über den Anrufer an Vorrec herankommen.«
»Und dass Vorrec tatsächlich der Dämon ist, der es im Keller auf dich abgesehen hatte.«
»Da gibt es einiges zu hoffen. Nämlich auch, dass wir über Vorrec an den Dhyarra herankommen. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.«
Nicole brachte den Cadillac zum Stehen. »Ich habe eine weitere Hoffnung.«
»Und die wäre?«
»Dass wir nicht wieder von ein paar Pistolenkugeln empfangen werden.«
»Oder von einem hyänenköpfigen Monstrum«, ergänzte Zamorra grimmig, als er ausstieg.
Noch während sie auf das Haus zuliefen, wurde die Tür geöffnet.
Ein mittelgroßer, schlanker Mann Ende Dreißig starrte sie aus geschwollenen Augen an. Zamorra kam er irgendwie bekannt vor. »Sie müssen Professor Zamorra sein. Ihr weißer Anzug ist wohl ein Markenzeichen von Ihnen?«
»Ganz recht, und meine Begleiterin…«
»Madame Duval, ich weiß. Sie wurde mir in den höchsten Tönen beschrieben. Und das ganz zurecht.« Der Mann lächelte schief und machte eine einladende Geste. »Treten Sie ein. Ich danke Ihnen, dass Sie so rasch gekommen sind.« Weder Zamorra noch Nicole konnten Hinterlist in seinen Worten entdecken. Sie vertrauten ihrer Menschenkenntnis und beschlossen, die Einladung anzunehmen. Schneller als erwartet konnte dieser Mann sie möglicherweise auf die Spur des verschwundenen Dhyarra bringen.
»Woher kannten Sie Zamorras Nummer?«, fragte Nicole, als sie das Haus betrat.
»Diese Frage erübrigt sich, wenn ich mich Ihnen vorstelle. Mein Name ist Dorier. Der auf der Baustelle getötete Gerome war mein Bruder.«
Zamorra nickte. »Sie kamen mir bekannt vor. Ich bedauere den Tod Ihres Bruders.«
»So, tun Sie das? Hören Sie gut zu: Sie haben kluge Fragen gestellt auf der Baustelle, und deshalb habe ich mich an Sie gewandt. Ich weiß, warum Gerome sterben musste. Und ich weiß, wer ihn getötet hat.«
Zamorra staunte. Heute ging alles sehr schnell. Sie kamen den Entwicklungen der Ereignisse kaum hinterher.
***
Maurice Simonet war begeistert. Der Transfer in seinen Zweitwohnsitz war ohne erkennbaren Zeitverlust erfolgt. Er hatte sich von einem Moment auf den anderen vor dem großen Ledersessel befunden. Genau wie er es sich vorgestellt hatte.
Er fragte sich, was ihm mit Hilfe des Kristalls noch möglich war. Die Antwort darauf gab er sich selbst. Ihm war alles möglich! Er dankte dem Schicksal, das ihm einen Diener geschenkt hatte, der dumm genug war, ihm den Kristall auszuliefern.
Danke, Gerome! Simonet kicherte. Mögest du lange und heiß in der Hölle schmoren!
Bevor er erneut Vorrec beschwor, plante Simonet, die Wirkungsweise des Kristalls weiteren Tests zu unterziehen. Er wollte im Umgang mit dem Kristall geübt sein, um Vorrec standhaft und überzeugend gegenüber zu treten.
Es sollte ihm keine andere Wahl bleiben, als ihn in die inneren Zirkel der Hölle einzuführen.
Vielleicht sollte ich Vorrec töten, um zu zeigen, dass es mir ernst ist. Die Dämonen werden das sicher zu schätzen wissen.
Die Höllischen schlugen sich sicher nicht mit solchen Skrupeln herum, wie die Menschen es zumeist taten. Mit Entschlossenheit und radikalem Auftreten konnte er in der Höllensphäre weit kommen, dessen war er sich sicher.
Simonet fühlte sich allen Menschen schon lange überlegen. Das Spiel mit den Sektenmitgliedern hatte ihn bestätigt. Wie Marionetten hingen sie an seinen Fäden, warteten darauf, von ihm bewegt zu werden. Unmündig waren sie, und immer auf der Suche nach jemandem, der für sie die Entscheidungen traf.
Ab sofort mussten sie alleine zurecht kommen. Es war das Beste, die Sekte zu verlassen. Dieser Abschnitt seines Lebens lag hinter ihm. Die Mitglieder konnten sich wie geprügelte Hunde hinter ihre Kamine zurückziehen und zusehen, wie sie zurecht kamen - ihm war es egal. Sie hatten ihre Schuldigkeit getan.
Er würde die Gegend verlassen, um an einem anderen Ort neu zu beginnen. Die Beschwörung Vorrecs war das letzte, das er hier noch erledigen wollte. Er kam ins Nachdenken. Sollte er den Dämon wirklich vernichten oder ihn sich besser untertan machen?
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