0791 - Diondra - einfach mörderisch
Sie denn gesprochen?«
»Ich führe oft Selbstgespräche.«
Er fühlte sich leicht verarscht, verschluckte aber eine Antwort, und ich beschloss, noch mehr auf der Hut zu sein. Cusor musste eine Weile gelauscht haben. An der Treppe blieb er stehen. Sein Blick bohrte sich in meine Augen. »Wissen Sie, Sinclair, ich habe einfach das Gefühl, dass wir beide noch aneinander geraten.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Warum denn?«
»Ich mag Sie nicht, Sinclair. Ich mag Sie ebenso gern wie Reißnägel zum Frühstück.«
»Das ist Ihr Problem, Cusor, nicht meines.« Ich ließ ihn stehen und ging die Treppe hinab. Unten im Flur wartete ich auf ihn. Diesmal sagte er nichts, sondern ging schweigend vor. Allerdings nicht wieder zurück in die Halle, wir näherten uns einer Tür, die versteckt in einer Wandnische lag.
»Da lebt sie.«
»Auch so spartanisch wie ich?«
Cusor hob nur die Schultern. Er klopfte zweimal. Bei ihm hörte sich das sogar zart an. Wir beide vernahmen eine dünne Stimme, Cusor öffnete die Tür, versperrte mir aber den Weg und meldete sich mit den Worten »Sinclair ist da!« an.
»Danke.«
Der Leibwächter trat zurück. Wieder schaute er mich böse an. »Sie können, Bulle.«
»Sie mich auch«, erwiderte ich und schlüpfte an ihm vorbei. Mit dem nächsten Schritt trat ich über die Schwelle. Hinter mir schlug Cusor die Tür zu, und ich war mit Diondra Mayne allein…
***
Nein, ich lachte nicht. Es gelang mir auch nicht, mein Erstaunen zu verbergen und die Neutralität zu wahren, aber so wie sie aussah, so hätte ich mir ein Genie, was sie ja wohl war, nicht vorgestellt.
Dieser Raum war auch nicht als Rechenzentrum oder mathematisches Labor eingerichtet, er wirkte fast kleinbürgerlich gemütlich mit der bunten Decke auf den Sitzmöbeln, den verhältnismäßig kleinen Fenstern, wo sogar Gardinen davorhingen, und natürlich fehlte auch der TV-Apparat nicht. Eine kleine Küche war ebenfalls vorhanden, ich entdeckte sie hinter einem hüfthohen Vorsprung, mehr eine Barriere, aber das alles verblasste gegen die Erscheinung der Diondra Mayne.
Sie war kein Fotomodell. Am Tisch saß eine blasse Person. Ihre blaue Latzhose aus Jeansstoff war noch nicht wieder modern.
Ihr Haar war ebenfalls blass, blassblond, es stimmte traurig. Das Gesicht war schmal, die Lippen fielen kaum auf, und auch die Augen wirkten leer.
So also sahen Genies aus!
Ich schärfte mir selbst ein, die Vorurteile wegzulassen und nickte der Person zu. »Sie sind also Diondra Mayne?«
»Ja.« Sie nickte mir entgegen, als ich auf sie zukam. Mit etwas zittriger Hand deutete sie auf einen zweiten Stuhl neben dem Schreibtisch, und ich ließ mich nieder.
Die Hand hatte sie mir nicht gereicht. Sie musterte mich nur prüfend. Ich hielt ihrem Blick stand und merkte zum ersten Mal, dass mehr in dieser Person steckte. Es mochte der Ausdruck tief in den Pupillen sein, der erst aus der Nähe zu erkennen war. Ein Lauern, auch ein Wissen über bestimmte Dinge, aber das hatte sie verdrängt.
»Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.«
»Es war meine Pflicht.«
Sie schaute mich an. »Tatsächlich?«
»Ja, wenn ich es Ihnen sage.«
»So sehen Sie nicht aus.«
Ich musste lachen, doch es klang nicht fröhlich. »Wie sollte ich denn Ihrer Meinung nach aussehen?«
Diondra schwieg zunächst, sie überlegte, dann hob sie die Schultern und meinte: »Tja, Sie sind schon richtig, John. Darf ich Sie so nennen?«
»Gern.«
»Ich meine, Sie sind anders als die ungehobelten Kerle, die mich beschützen sollen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie auch hinter die Fassaden schauen und so sensibel sind, um andere Menschen zu verstehen.«
»Darum bemühe ich mich.«
»Es geht erst mal um mich.«
»Sicher.« Ich schlug die Beine übereinander und schaute gegen das weiche Licht einer kleinen Lampe. »Sie haben Angst.«
»Das wissen Sie?«
»Ja, deshalb bin ich hier. Aber ich denke, dass Ihre Angst nicht so einfach zu beschreiben ist.«
»Stimmt.«
»Wie dann?«
Sie senkte den Blick und spielte mit den Händen. Jetzt wirkte sie wieder wie ein kleines Mädchen. »Mir gefällt das Wort Angst nicht, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Was soll ich dann sagen?«
Diondra Mayne hob den Kopf wieder an. »Können wir uns auf den Begriff Bedrohung einigen?«
»Das weiß ich nicht. Sie müssen es wissen, denn Sie sind die Person, um die sich alles dreht. Aber wenn Sie schon von einer Bedrohung gesprochen haben, Diondra, dann möchte ich Sie bitten, hier einmal
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