0791 - Diondra - einfach mörderisch
konkreter zu werden.«
»Ich sehe es so.«
Die Antwort hatte mir etwas zu stur geklungen. »Bitte, Diondra, was haben Sie gemeint?«
Sie bewegte sich unruhig auf dem Stuhl. »Was soll ich schon gemeint haben?«, murmelte sie. »Es gibt da gewisse Dinge, die ich spüre, aber nicht erklären kann.« Sie schaute mir direkt ins Gesicht.
»Verstehen Sie das?«
Ich konzentrierte mich auf ihre Augen. Musste ich das verstehen?
Ich wollte es nicht unterschreiben, denn es konnte sein, dass sie mir etwas vormachte. Ihre Augen waren zwar dieselben wie zuvor, nur hatte sie sich in den Pupillen etwas getan. Sie sahen jetzt heller aus.
Ich kam mit ihr nicht zurecht. Normalerweise hätte ich einen derartigen Job ablehnen müssen, denn ein Schützling, der mir so kam, dem konnte ich kein Vertrauen entgegenbringen.
Nun, das war die menschliche Seite.
Gab es noch eine andere? Hatte der unterschiedliche Ausdruck ihrer Augen genau damit zu tun? War es so etwas wie ein Beweis für eine unheimliche Aura, das Dämonische möglicherweise? Es konnte, aber es musste nicht sein. Jedenfalls musste ich auch damit rechnen, hingehalten zu werden.
»Wie äußert sich die Bedrohung?«
»Ich spüre sie.«
»Wie denn? Als Schauer, als permanente schlechte Träume, die Sie quälen?«
»Sie kommt herbei.«
»Und woher?« Über die Frage ärgerte ich mich, kaum dass ich sie gestellt hatte, aber Diondra hatte, sie sehr ernst aufgefasst, was ich ihrer Antwort entnahm. »Wie eine Wolke schwebt sie herbei. Sie ist irgendwo aufgestiegen, doch ich kann den Platz nicht genau erklären. Irgendwo in den Tiefen der Vergangenheit, denke ich.«
»Dann haben Sie etwas damit zu tun?«
»Ich weiß es nicht, John.«
»Es gibt Menschen«, sagte ich leise, »die haben schon mehrmals eine Wiedergeburt erlebt. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist. Könnte es sein, dass auch Sie wiedergeboren wurden? Wenn ja, würden Sie sich möglicherweise an Ihre früheren Leben erinnern, und wenn ja, macht das diese große Wolke der Bedrohung aus?«
Diondra Mayne öffnete den Mund. Noch sagte sie nichts, sondern fuhr zunächst mit dem Zeigefinger über ihre Lippen. »Ich habe keine Ahnung, aber es ist da.«
»Beeinträchtigt es Sie?«
»Ja, ich kann mich nicht mehr so konzentrieren. Ich bin wichtig für den Konzern, das hat man mir gesagt, und ich möchte auch weiterhin wichtig bleiben, bitte schön.«
»Das kann ich verstehen.«
»Aber nicht, wenn ich bedroht werde. Dann ist alles anders, dann kann ich nur daran denken.« Mit einem heftigen Ruck stand sie auf und ging einen Schritt zur Seite.
»Wo wollen Sie hin?«, fragte ich, als ich sah, dass sie eine blaue Strickjacke von einer Stuhllehne zog.
»Ich muss hinaus. Ich… ich möchte ins Freie.« Sie stand da und schaute die Jacke an.
»Gibt es einen Grund dafür?«
Diondra antwortete mir, ohne mich dabei anzuschauen. »Es liegt an der Luft hier. Ich kann sie kaum noch atmen.«
Das war mir neu. Aus dieser Frau wurde wohl niemand schlau.
»An der Luft, nicht an der Bedrohung?«
»Vielleicht auch.« Sie streifte die Jacke über. Den Kopf hielt sie dabei gesenkt. Das Haar war dabei nach vorn gefallen. Es verdeckte ihr Gesicht von der Seite, sodass ich nicht mal das schmale Profil der Frau sah. Mit beiden Händen strich sie die Wolle glatt, die Jacke selbst knöpfte sie nicht zu.
Ich stand auf. »Haben Sie vor, einen Spaziergang durch den Garten zu machen?«
»Auch.«
»Fühlen Sie sich dort den sicherer?«
Sie blickte zu mir hoch. »Das weiß ich nicht. Draußen werde ich darüber nachdenken.«
»Darf ich Ihnen dabei helfen?«
»Nein. Ich muss mit mir selbst ins Reine kommen. Ich muss mich erholen und regenerieren, denn ich habe eine Arbeit zu verrichten. Der Auftrag ist nicht leicht. Man erwartet viel von mir. Ich habe alle Informationen sammeln können, ich muss mir nur ein Bild davon machen. Die Zukunft soll ich für meine Auftraggeber erforschen. Ich soll Trends aufzeigen.«
»Das finde ich toll. Mir würde das nicht gelingen.«
Diondra hob die Schultern.
»Aber wo arbeiten Sie? Hier im Raum? Ohne irgendwelche Hilfsmittel? Sind Sie einzig und allein auf Ihren Kopf angewiesen? Oder gibt es da noch Hilfsmittel?«
Diondra Mayne lächelte. »Ich weiß genau, woran Sie denken, John, aber Sie können beruhigt sein. Es gibt hier nicht nur diesen Raum. Ich habe auch ein Arbeitszimmer.«
»Darf ich einen Blick hineinwerfen?«
»Kommen Sie mit.« Sie ging auf eine der Türen zu. Ruckartig stieß sie den
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