0792 - Gruß aus der Gruft
zusammen. Er musste sich am Türpfosten abstützen, sonst hätte er den Schwindel nicht überwinden können.
»Hallo, Professor…«
»Ja… was … was ist?«
»Sie wollten doch nicht verschwinden?«, fragte Cusor mit einem wissenden Grinsen auf den Lippen. »Das können Sie uns doch nicht antun. Diondra und auch ich haben etwas dagegen, wenn jemand das Haus ohne unsere ausdrückliche Erlaubnis verlässt. Verstehst du das?«
Palmer schnappte nach Luft. Er nahm sich vor, die Worte zu ignorieren. »Ich… ich … wollte doch nur …«
»Es spielt keine Rolle, was du wolltest, mein Freund. Überhaupt keine Rolle, denn wir haben hier zu bestimmen.«
Palmer hatte den Kopf nach vorn gesenkt. Mühsam hob er ihn jetzt wieder an. Er kam nicht dazu, in das Gesicht des Mannes zu schauen, denn Cusor hatte bereits seinen rechten Arm vorgestreckt.
Mit der flachen Hand tippte er gegen die Brust des Professors. Der Treffer reichte aus, um Palmer die Stütze zu nehmen. Seine Hand rutschte vom Türrahmen ab. Er torkelte zurück in das Zimmer und hoffte inständig, nicht zu Boden zu fallen, denn vor dieser mächtigen Gestalt auf dem Rücken zu liegen, kam ihm einfach demütigend vor.
Mit rudernden Armen gelang es ihm, das Gleichgewicht zu halten, doch er traute sich nicht, sich in einen Sessel zu setzen. Schwer atmend blieb er neben dem Kamin stehen. Von der rechten Seite her strömte die Hitze gegen ihn. Von der offen stehenden Tür löste sich der Schatten des großen Mannes, der mit schweren Tritten das Zimmer betrat und auf Palmer zukam.
Unwillkürlich hob Palmer einen Arm, als wollte er sich vor einem Schlag schützen, das aber hatte Cusor nicht vor. »Mein Gott, bist du jämmerlich«, sagte er, »bist du eine Witzfigur! So hochintelligent, anderen überlegen und…« Er lachte und konnte sich kaum beruhigen. »Aber das ist vorbei.«
Palmer rückte die Brille zurecht, damit er den anderen wieder anschauen konnte. »Was habe ich Ihnen getan?«, fragte er. »Was, zum Teufel, haben Sie gegen mich?«
»Nichts.«
»Dann lassen Sie mich gehen.«
»Nein!«
»Warum nicht?«
»Das will ich Ihnen sagen. Es gibt jemand, der möchte Sie gern im Haus behalten.«
»Diondra…?«
»Genau, denn sie hat hier das Sagen.«
Palmer dachte über die Antwort nach. Ja, im Prinzip hatte dieser Mann Recht. Diondra hatte hier das Sagen. Sie wohnte hier, sie hatte sich hierher zurückgezogen. Dieses Haus war ihre Höhle, sie lebte zwischen den Mauern. Das Haus war sie, und sie war das Haus.
Verrückt, aber es stimmte.
Cusor nickte dem Professor zu. »Nun?«, fragte er lauernd. »Ist das endlich in deinen Kopf reingegangen?«
»Ja, ich habe begriffen.«
»Das freut mich.«
»Aber ich möchte den Grund wissen. Ich komme nicht mehr mit, ich weiß nicht, warum das alles geschieht? Diondra und ich sind gut miteinander ausgekommen, und ich bin nicht derjenige, der sie bedroht.«
»Das wissen wir.«
»Was soll das dann?«
Cusor lachte. »Ich weiß es auch nicht genau. Aber jeder, der hier lebt, wird irgendwann einmal zum Teil dieses Hauses. Ich bin es auch geworden, und ich möchte nicht einmal weg von hier. Es hat etwas Besonderes an sich, verstehst du?«
»Nein, noch nicht.«
Cusor tippte gegen seine Stirn. »Denkst du nur mit dem Verstand, Professor, oder hast du auch Gefühle?«
»Wie meinen Sie das?«
»Dieses Haus muss man fühlen, verdammt! Man spürt, dass etwas in ihm steckt, das man nicht erklären kann. Hier ist alles anders, und auch ich habe mich überzeugen lassen. Ein sehr schönes Haus, sehr alt und von einem Geist beseelt…«
»Hören Sie auf! Ich weiß, dass es Diondra nicht gut geht. Hat sie nicht selbst gesagt, dass sie bedroht würde? Was ist mit ihr? Wer ist sie überhaupt?«
Cusor gab keine Antwort. Er zeigte aber an, dass er Palmer nicht aus den Augen lassen wollte. Mit sicherem Griff zog er einen in der Nähe stehenden Stuhl heran und ließ sich dicht vor der Tür nieder.
Dort blieb er sitzen. Er war ein Wächter, und er würde Palmer nicht aus dem Zimmer lassen.
»Verstehst du, Prof?«
»Ja, ich verstehe es.«
»Dann richte dich danach.«
Palmer hatte sich nicht gesetzt. Er war neben dem Tisch stehen geblieben. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, aber sie liefen im Endeffekt nur auf ein Ziel hinaus. Er war ein Gefangener, und es sah so aus, als sollte er auch in Zukunft einer bleiben. Aus freien Stücken würde er das Haus nicht verlassen können. An Cusor vorbeizukommen, war einfach
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