0795 - Vater, Mutter, Satanskind
Frühling, der gar nicht mal weit entfernt lag.
Ich öffnete die Augen.
Enttäuscht?
Nein, ich war nicht enttäuscht, auch nicht verbittert, dass ich nicht dort gelandet war, wo ich es mir gewünscht hätte. Ich befand mich nicht am und auch nicht im Hotel an der deutsch-tschechischen Grenze, sondern in einem fernen Reich zwischen den Welten.
Bisher hatten wir nur davon gesprochen, nun aber hatte sich Aibon uns eröffnet.
Ja, wir waren da!
Ich ärgerte mich nicht darüber, weil ich genau wusste, dass mir dieser positive Teil des Landes nicht feindlich gegenüberstand. Und als ich mich umschaute, wurde ich an Avalon erinnert, das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Land oder dem Paradies der Druiden aufwies.
Wir standen auf einer Lichtung, doch wir waren nicht von einem dichten Wald umgeben, sondern konnten unsere Blicke über das freie Hügelland schweifen lassen, das in diesem Teil nur von dichten grünen Buschgruppen und Niederwald unterbrochen war.
»Wir sind zu Hause…« Delia hatte die Worte mit zitternder Stimme gesprochen. Die Freude darin hatte auch ich herausgehört. »Meine Güte, wir haben es geschafft.«
Beide standen hinter mir. Als ich mich umgedreht hatte, da sah ich, wie dicht sie zusammenstanden und sich aneinander festklammerten, als wollten sie dieses Stück Heimat ausschließlich für sich behalten.
Darius freute sich nicht so. Sein Gesicht zeigte eher einen misstrauischen Ausdruck. Er schaute nicht böse, er war nur leicht irritiert und traute dem Frieden nicht. Als ich auf die beiden zuging, schaute er mich an.
»Das hattest du nicht beabsichtigt – oder?«
»Stimmt.«
»Du weißt, wo wir uns befinden?«
»Ich kenne Aibon, keine Sorge.« Er senkte den Kopf. »Und wir kennen es auch. Wir sind über seine Gesetze informiert worden, und diesen Gesetzen zufolge haben wir uns etwas zuschulden kommen lassen. Du verstehst, was ich damit meine?«
»Es kann sein, aber rede weiter.«
»Werde ich gern tun. Die Gesetze besagen, dass Versager oder Übertreter bestraft werden. Man wird uns hier nicht mehr akzeptieren. Wir haben Pamela in Aibon gezeugt, sie ist ein Kind dieses Landes, und niemand wird es hinnehmen, dass es geraubt wurde. Man wird uns die Schuld daran geben, aber das habe ich dir schon erklärt.«
»Richtig. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen, Darius, hör zu.«
»Gern.«
»Bitte, lass den Spott. Man wird unsere Ankunft bemerkt haben, deshalb wird man sich auch um uns kümmern, und man wird hier erscheinen, um sich mit uns zu unterhalten.«
»Nicht nur unterhalten.«
»Ich weiß es. Aber jetzt sind wir zu dritt, das solltest du auch nicht vergessen.«
»Was heißt das?«
»Ganz einfach, mein Lieber. Wir werden uns dagegen wehren, wieder verbannt zu werden, mein Lieber. So und nicht anders lautet meine Rechnung.«
Nicht nur Darius hatten meine Worte irritiert, seine Frau ebenfalls.
Sie war es auch, die redete. »Und das willst du schaffen, John? Du gegen Aibon?«
Ich schaute für einen Moment auf das Kreuz, steckte es weg und lächelte. »Wieso gegen Aibon?«
»Durch deine Worte hast du dich bereits gegen die Gesetze dieses Landes gestellt.«
Ich winkte ab. »Da bin ich mir nicht sicher. Ein wenig weiß ich auch über das Land. Aibon hat seine Gesetze, das stimmt. Es gibt hier zahlreiche und unterschiedliche Lebensformen, hier sind Märchen wahr geworden, aber Aibon ist auch in der Lage, andere Regeln zu akzeptieren. Das weiß ich aus Erfahrung.«
»Deine etwa?«
»Ja.«
»Da bist du dir sicher?«
Ich nickte.
Beide waren nicht mehr in der Lage, mir eine Frage zu stellen. Sie dachten über meine Worte nach, ohne sie in den Griff zu bekommen. Irgendetwas schien da nicht in ihr Denkschema hineinzupassen, und Darius übernahm schließlich wieder das Wort.
»Ich habe keine Ahnung, John, wie es jetzt weitergehen soll. Ich bin der Meinung, dass wir irgendwann Besuch bekommen werden. Oder täusche ich mich da?«
»Das glaube ich nicht. Man hat unsere Ankunft bemerkt. Bisher ist es eigentlich immer so gewesen, dass mich der Rote Ryan besucht hat, egal, wie und wo ich herkam. Dieses Land ist zwar groß, aber der Rote Ryan hat den Überblick.«
»Sehr gut gesprochen, aber…«
Ich legte einen Finger gegen die Lippen, denn ich hatte etwas gehört. Der Rote Ryan schien genau auf meine Worte gewartet zu haben, denn er meldete sich auf seine ihm typische Art und Weise.
Eben durch sein Flötenspiel, das diese für mich zeitlose Gestalt so perfekt
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