0796 - Luzifer
und Zeit geschleudert. Während des ganzen Vorgangs konnten sie denken, und so erkannten sie, dass sie die Hölle nicht verließen, sondern lediglich von einem Teil an einen anderen versetzt wurden.
Durch einen Vorgang, den keiner von ihnen hätte willentlich steuern können.
Und der nicht mehr als ein paar Sekunden dauerte.
Als er beendet war, standen sie wieder auf ihren eigenen Beinen, und hinter ihnen lag eine gewaltige Kaverne, aus der dumpfe Töne drangen. Zunächst kam keiner von ihnen auf die Idee, sich in Bewegung zu setzen, aber das war auch nicht nötig, denn die von Merlin beschworene Macht, die sie hergetragen hatte, übernahm auch diese Aufgabe.
Die Kaverne spie Stygia, Calderone und Merlin ins Freie, und sie standen am Rand einer weiten Ebene. Brennende Tümpel dehnten sich vor ihren Augen aus, von denen Hitze und modriger Geruch aufstiegen. Ein Labyrinth von Wegen und künstlichen Brücken lag dazwischen.
Er hat es getan, pulsierte ein aberwitziger Gedanke durch Calderones Verstand. Merlin hatte sie tatsächlich dorthin gebracht, wohin sie wollten. Damit hatte der Zauberer seine Loyalität endgültig bewiesen, und Calderone vergaß sämtliche Vorbehalte, die er jemals gehabt hatte.
Denn vor ihm lag sie.
Die legendäre Flammenwand!
Calderone konnte ein sardonisches Lächeln nicht unterdrücken. Sie hatten ihr Ziel tatsächlich erreicht. Doch diese Erkenntnis wurde sofort zur Nebensache.
Denn eine Armee von Dämonen quoll aus Nischen und verborgenen Schlupfwinkeln und warf sich ihnen entgegen.
***
Doppeltes Spiel
»Heute bleibt uns auch nichts erspart«, beschwerte sich Nicole Duval. »Es ist wirklich Lucifuge Rofocale.«
Zamorra nickte nachdenklich. »Dafür gibt es nur eine Erklärung. Es ist der Lucifuge Rofocale der Spiegelwelt.«
»Fragt sich nur, was er bei uns will.«
»Uns will er, wozu auch immer.« Zamorra war sich seiner Sache sicher. Es konnte kein Zufall sein, dass die gehörnte Gestalt ausgerechnet an der wenig befahrenen Landstraße stand, die Zamorra oder Nicole fast täglich benutzten.
Als sie über die Straße liefen und den Rand des Getreidefelds erreichten, zog sich Lucifuge Rofocale langsam zurück. Er winkte ihnen zu, ihm zu folgen.
»Immerhin ist er klug genug, in Deckung zu gehen. Andere Autofahrer als wir könnten wesentlich gereizter reagieren, wenn sie ihn sehen.«
»Mir gefällt das nicht«, antwortete Nicole. »Der kommt doch nicht in unsere Welt, ohne etwas im Schilde zu führen.«
»Das werden wir gleich erfahren. Aber offenbar stellt er zumindest im Moment keine Gefahr für uns dar.« Zamorra tastete nach Merlins Stern und hielt ihn mit der Hand umschlossen. »Mein Amulett macht jedenfalls keine Anstalten, etwas gegen ihn zu unternehmen. Es baut nicht mal einen Schutz schirm auf.«
»Na, wenn es da mal keinen Fehler macht.« Doch Nicole musste sich eingestehen, dass sie ebenfalls neugierig war, was der unerwartete Besuch zu bedeuten hatte. »Vielleicht gibt es eine Grillparty in der Spiegelwelt-Hölle, und wir sind eingeladen.«
»Höchstens in der Rolle des Grillfleischs, aber mir ist auch so schon warm genug.«
Die beiden Dämonenjäger sprangen über einen schmalen Bach, der am Feldrain entlang führte, und standen verborgen zwischen den sich wiegenden Ähren. In den nächsten Tagen würde hier gemäht werden. Dann gab es nur noch Stoppeln. Aber jetzt fühlte man sich unwillkürlich in eine andere Welt versetzt.
Zamorra warf einen Blick zurück zur Straße. Sie war nicht zu sehen, also konnte von dort aus auch niemand erkennen, was hier vor sich ging. Zwar waren die meisten Dorfbewohner durch den prominenten Schlossbesitzer mit Geistern und Dämonen vertraut, aber bei Auswärtigen sah das anders aus. Sie würden vielleicht in Panik geraten, was katastrophale Folgen nach sich ziehen konnte.
»Es war nicht besonders schwer, euch zu finden«, empfing sie Lucifuge Rofocale.
Zamorra fühlte sich intensiv gemustert, und er konnte sich auch einen Grund dafür vorstellen.
»Bis auf ein paar modische Accessoires genau wie unser Zamorra«, bestätigten Lucifuge Rofocales Worte seine Vermutung. »Aber nur äußerlich. Ich habe andere Sinne, um die wesentlichen Unterschiede zu erkennen.«
»Das ist ja sehr interessant«, warf Nicole ein. »Eine Erklärung für deine Anwesenheit in unserer Dimension ist es jedoch nicht.«
»Wie wahr. Doch der ist leicht genannt. Wir haben Besuch aus eurer Sphäre erhalten. Bei uns treiben sich welche herum, die dort
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