0797 - Rasputins Tochter
Porzellan bestand. Er hielt ihr das Gefäß hin, von dem sie nicht wusste, was sie damit anfangen sollte.
»Was ist das hier?«, fragte sie. »Was soll ich in diesem Kloster? Wer bist du?«
Der Greis hüstelte röchelnd. »Du weißt es nicht?«, fragte er.
»Nein, ich kam her und…«
»Ja«, hauchte er, »du kamst her, und wir haben auf dich gewartet, nur auf dich.«
Larissa nickte, bevor sie sagte: »Ich musste erst Umwege gehen, um euch zu finden. Ich habe einen langen Weg hinter mich gebracht, ich bin da, aber ich kenne mich hier nicht aus. Ich weiß nicht, weshalb ihr mich als Königin anseht. Ich bin eine Frau, die… ja, was bin ich eigentlich? Ich habe mit euch nichts zu tun …«
»Darf ich dich unterbrechen?«
»Du hast es schon getan.«
Der Greis kicherte. »Ja, das stimmt. Ich möchte dir sagen, dass ich glücklich bin, dir gegenüberzustehen und erkennen zu können, dass es dich tatsächlich gibt, dass du kein Traum, kein Wunschbild bist, denn du bist die Spur zu ihm.«
»Hat er auch einen Namen?«
Der Greis deutete ein Nicken an. Er schaute für einen Moment in die Schale, als könnte er von deren Grund die Lösung ablesen. »Natürlich hat er einen Namen, er ist in der ganzen Welt bekannt, denn er hat im letzten Jahrhundert und auch noch in diesem hier im russischen Reich seine Zeichen gesetzt. Er war und er ist für viele Menschen ein Großer. Es gibt nicht wenige, die ihn heute noch anbeten, denn die alten Überlieferungen und Geschichten sind nicht gestorben.«
»Wie ist sein Name?«
»Rasputin!«
Der Greis hatte diesmal mit lauter Stimme gesprochen, ohne jedoch das Zittern unterdrücken zu können. In seinen alten Augen leuchtete der Spiegel der Freude, und auch die junge Russin kannte natürlich diesen Namen.
»Rasputin«, murmelte sie, »der Magier…«
»Für uns der Gott .«
»Und für mich?«, Larissa funkelte ihn an. Sie hielt den Kopf gesenkt, damit sie in das Gesicht des Mannes schauen konnte. »Was ist er für mich? Was soll er für mich sein?«
Der Greis nickte, dann sprach er mit dünner, aber doch fester Stimme:
»Er ist dein Vater…«
***
Im Treppenhaus des Polizeigebäudes hatte der Mönch ausgesehen wie ein Gespenst, in der kalten, ebenfalls düsteren Halle des großen Hotels hatte sich sein Aussehen kaum verändert, aber dort war er nicht allein, und Wladimir hatte sich mit ihm in der Halle an einen der zahlreichen Tische gesetzt, von wo aus er den Eingang gut im Auge behalten konnte, weil er die Ankunft seiner Londoner Freunde auf jeden Fall mitbekommen wollte. Er hatte für sich und seinen Gast etwas zu trinken bestellt. Beide bekamen den Tee serviert.
Die anderen Gäste warfen dem schwarzbärtigen Mann hin und wieder schiefe Blicke zu, bis sie sich an sein Erscheinungsbild gewöhnt hatten.
Der Mönch saß ruhig im abgeschabten braunen Leder des Sessels, nur seine Augen zeugten davon, dass er lebte, und er bewegte sie oft hin und her, um möglichst viel sehen zu können.
Auf der Fahrt hatte er geschwiegen und düster vor sich hin gebrütet. Wladimir war der Mann zwar nicht unheimlich, aber suspekt, und er war gespannt auf die Erklärungen des anderen, denn nur aus Spaß hatte er sich nicht mit Golenkow getroffen.
Sie tranken den Tee, und der Mönch hielt die Tasse mit beiden Händen fest. Immer wieder nickte er, ein Zeichen, dass er damit zufrieden war. Dann stellte er sie plötzlich mit einer Bewegung ab, die so exakt ausgeführt war, dass sie wirkte wie ein Zeichen, dass er endlich zur Sache kommen wollte.
»Du bist gespannt, Wladimir, das sehe ich dir an.«
»Ja, stimmt.«
Der Mönch, dessen Alter so gut wie nicht zu schätzen war, lächelte. Zudem wusste Wladimir so gut wie nichts über ihn. Er kannte nur dessen Namen. Der Mönch hieß Fjodor. Das musste reichen.
»Weißt du, mein Freund, ich habe mich nicht grundlos an dich gewandt, denn meine Freunde und ich wissen, wer du bist. Wir leben zwar für viele in einer anderen Welt, was auch irgendwie stimmt, denn die alten orthodoxen Klöster stehen nicht gerade in den Zentren. Aber das heißt nicht, dass wir von der normalen Welt außerhalb der Klöster nichts wüssten. Im Gegenteil, wir sind sehr gut informiert, was in der übrigen Welt geschieht. Wir schauen uns um, wir haben unsere Zuträger, wir sammeln Informationen und legen große Akten – heute sagt man Datenbänke – an.«
»Sehr gut«, lobte Wladimir.
Fjodor lächelte nicht einmal. Sehr ruhig sprach er weiter. »Da wir immer auf
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