0797 - Rasputins Tochter
Informationssuche sind, mussten wir zwangsläufig über Menschen stolpern, die sich in den Vordergrund spielen, ohne es bewusst zu wollen. Sie waren einfach dazu prädestiniert, und ein solcher Mensch bist auch du, Wladimir.«
Golenkow strich über sein blondes, widerborstiges Haar. »Soll das heißen, dass ihr mich kontrolliert habt und über mich Bescheid wisst?«
»So ist es. Wir haben dich beobachtet und dich auch eingestuft, vor und nach der großen Wende.«
»Zu welchem Ergebnis seid ihr gelangt?«
»Zu einem positiven, denn du bist es, ebenso wie deine Freunde, wert gewarnt zu werden.«
»Darf ich mich bedanken?«
»Wofür? Für ein Schicksal, das vorherbestimmt wurde?«
»Meinetwegen auch das.«
»Nein, nein.« Der Mönch schüttelte den Kopf. »Hier geht es um ganz andere Dinge, über die du wohl noch nicht so recht Bescheid weißt. Du kennst die gefährliche Frau, die Mörderin, die eine furchtbare Blutspur hinterlassen hat.«
»Larissa heißt sie. Wir wollen sie endlich stellen, und du wirst meine beiden Freunde gleich persönlich kennen lernen.«
»Das weiß ich.« Der Mönch legte seine Hände zusammen und machte den Eindruck eines Betenden. »Dir und deinen Freunden ist wohl nicht bekannt, wer und was hinter den Bluttaten steckt?«
»Leider nicht.«
Der Mönch hob die Tasse an. Er schlürfte den letzten Rest Tee aus ihr. »Es ist eine Macht«, sagte er dann. »Eine sehr gefährliche Macht sogar.«
»Wie gefährlich? Ist sie real? Ist es eine von Menschen produzierte Macht, oder stehen andere Kräfte dahinter, die sie stützen?«
»Sowohl als auch«, sagte Fjodor. »Wir haben es hier mit menschlichen und mit nichtmenschlichen Kräften zu tun, und es gibt einen, der dahinter steht. Es ist Rasputin!«
»Mein Gott, der Mönch!«
»Mönch?« Fjodor lächelte. »Ich weiß nicht, ob ich ihn als einen Mönch bezeichnen möchte. Für mich ist er alles, ein Dämon, ein Teufel, ein Vampir. Ein sexbesessenes Stück Fleisch, ein Körper, der nur seinen Trieben gehorcht.«
»Nicht der Sohn eines Bauern?«, fragte Wladimir dazwischen.
»Ja, er wurde 1870 als Sohn eines Bauern geboren, aber dieser Bauer soll zugleich ein Schamane und ein Hexenmeister gewesen sein und dieses Erbe in mehrfacher Potenz auf seinen Sohn übertragen haben. Er entwickelte sich zu einem Besessenen und war Anführer der geheimen Schlangenkult-Sekte, was damals nicht einmal die Bischöfe wahrhaben wollten. Er hat orgiastische Feste gefeiert. Sein Ruf drang bis an den Hof des Zaren, und man sagt, dass er der eigentliche Grund oder die eigentliche Zündung für die Revolution damals war. Das sind Gerüchte, ich weiß nicht, wie viel davon stimmt. Es hat viele Spekulationen gegeben. Er überlebte mehrere Mordanschläge, nicht mal Zyankali konnte ihn töten, aber er hatte auch viele Freunde, die ihn nie vergessen haben und sich nach seinem Tod weiterhin an ihn erinnerten. Um diese Erinnerung hochzuhalten, mussten sie abtauchen. So bildeten sich die Geheimbünde, die Jünger Rasputins, die alles überlebten. Die Revolution, den Kommunismus, die staatlich gelenkte Gewalt, die Unterdrückung, das alles hat den Bünden nicht geschadet. Immer wieder stießen neue Jünger hinzu. Ihnen erging es ähnlich wie uns, den orthodoxen Mönchen, denn auch wir mussten in den Untergrund abtauchen, was nicht besagt, dass wir nicht aktiv geblieben wären. Wir haben sehr wohl erfahren, was in der Welt passierte, und wir haben auch die Jünger Rasputins nicht aus den Augen gelassen.«
»Haben sie denn durch Taten auf sich aufmerksam gemacht?«, fragte Wladimir mit leiser Stimme und von den Erzählungen des Mannes sichtlich beeindruckt.
»Nein, das haben sie nicht. Wenigstens nicht offen, sie konnten es sich nicht leisten, aber sie warteten ab. Sie schienen gewusst zu haben, dass das System irgendwann zusammenbrechen würde, die Zeit arbeitete für sie, zudem bekamen sie immer wieder Nachschub, und sie haben sich nicht geirrt. Das System ist zusammengebrochen. Die alte Ordnung ist dahin, und du wirst mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, dass momentan ein Chaos im Land herrscht.«
»Das stimmt.«
Fjodor nickte. »Chaos brauchen sie. Niemand kümmert sich um den anderen, es gibt die alten Kontrollen nicht mehr, und so konnten auch die Jünger Rasputins aus dem Sumpf hervorsteigen und nach einem Erben ihres großen Meisters suchen.«
»Erben sagst du?« Wladimir nahm die Kanne und schenkte die beiden Tassen wieder voll.
»Ja, die gibt
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