0797 - Rasputins Tochter
spiegeln können. Die Mönche hatten ganze Arbeit geleistet und das Kloster von den Resten der Vergangenheit gereinigt.
Nicht einmal der Geruch nach Staub hing in der Luft, er war vom schweren Duft der Kerzen abgelöst worden, denen sich die Frau immer mehr näherte. Sie brannten im Hintergrund der Halle und beleuchteten zwei Treppen, die rechts und links in die Höhe führten und sich oberhalb der Halle auf einer Galerie trafen.
Larissa warf einen Blick in die Höhe.
Schwarze Gestalten standen am Rand der Galerie und schauten in die Tiefe. Sie hatte die Männer in den Kutten nicht zählen können, die anderen jedoch hatten ihren Blick bemerkt, und sie verbeugten sich.
Für Larissa war das alles sehr rätselhaft, doch nicht fremd. Irgendwie hatte sie auch das Gefühl, nach langer Zeit der Abwesenheit wieder nach Hause zu kommen.
Der aus Kerzen bestehende Halbkreis war nach vorn hin offen. Sie konnte ohne ein Hindernis in ihn hineintreten und wurde von den tanzenden und spielenden Flammen begrüßt, die ihren Körper umgaben, ein Muster aus Licht und Schatten über die Gestalt warfen und in ihren dunklen Pupillen Reflexe hinterließen.
Niemand war da.
Kein Mönch hatte sich hinter den Ständern aufgebaut, um sie zu empfangen. Nur oben standen sie und schauten hinab. Auch ihr Begleiter war zurückgeblieben. Als Larissa einmal den Kopf drehte, da sah sie ihn nicht mehr.
Es war still.
So still, dass sie die leisen Geräusche hörte, die von den Flammen ausgingen. Ein kaum wahrnehmbares zischelndes Funkeln, begleitet von einem unruhigen Flackern, ein geisterhafter, geheimnisvoller Tanz, den sie nicht unterbrechen wollte.
Etwas musste geschehen, das stand für sie fest. Sie war nicht gekommen, um hier zu stehen und zu warten. Larissa roch den Ruß und den Qualm der Kerzen, sie wartete darauf, dass sich ihre Mamutschka meldete, um ihr einen Rat zu geben, aber sie hielt sich zurück.
Larissa hatte ihre Hände in den Taschen des Mantels verschwinden lassen. Mit der Rechten umklammerte sie den Griff des Messers, die Linke war in der Tasche zur Faust geballt, und die Fingernägel stachen in das Fleisch. Das schwarze Haar umhing wirr ihren Kopf.
Feuerschein leuchtete sie an. Ihre Augen waren dunkel, in den Pupillen tanzte das rote Feuer als Widerschein, und der Mund schien mit den zuckenden Flammen zu verschmelzen.
Sehr bedächtig drückte sie den Kopf zurück, um nach oben gegen die Galerie schauen zu können.
Gesichter, mehr blassbleiche Schemen, blickten zu ihr herab. Larissa verspürte keine Furcht, auch keinen Widerwillen, weil sie genau wusste, dass diese Personen dort oben nicht ihre Feinde waren, sondern zu ihr gehörten.
Niemand sprach sie an, aber sie sah das willkommene Nicken, und sie hörte plötzlich die Schritte in ihrer Nähe, obwohl sie die eigentliche Gestalt nicht sah.
Jemand kam zu ihr.
Er hielt sich noch vor ihr auf, im Hintergrund, der so dunkel war, dass selbst das Kerzenlicht ihn kaum erreichte. Er musste dort immer gestanden haben und war praktisch mit der abschließenden Wand verschmolzen.
Langsam kam er näher.
Sie schaute hin.
Etwas rieselte ihren Nacken hinab wie kalte Eistropfen, denn sehr bald hatte sie den Mann erkannt. Er war uralt, ein Zwerg beinahe, aber nur, weil er so gebeugt ging. Nein, an ihre Mamutschka erinnerte er sie nicht, aber jünger konnte er auf keinen Fall sein. Der Kopf war klein, verschrumpelt, dafür wuchs von seinem Kinn ein Bart nach unten wie ein grauweißer Vorhang. Er endete in zitternden und flatternden, auseinander laufenden Strähnen, die über dem Boden schwebten, als würden sie im nächsten Augenblick wie dünne Nebelfetzen verwehen.
Der Mann trug ebenfalls eine schwarze Kutte, hatte die Kapuze nicht übergestreift, sodass Larissa sein ebenfalls grauweißes Haar sehen konnte, das seinen Kopf bedeckte wie eine Mütze und an den Seiten in das lange Barthaar überging.
Sie kannte ihn nicht. Er musste einen Namen haben, er mochte bedeutend sein, doch nicht für sie. Aber er tat etwas, das sie verwunderte, denn als er stehen blieb, da senkte er den Kopf, ließ den Oberkörper folgen und verbeugte sich.
Larissa hätte nicht sagen können, dass es ihr peinlich gewesen wäre, sie konnte sich bisher nur keinen Grund vorstellen. Anscheinend sah auch er sie als Königin an.
Sie lächelte, als er sich wieder aufrichtete, und ihr Lächeln verschwand, weil der Greis etwas in seinen knochigen Händen hielt, das wie eine Holzschale aussah, aber aus dünnem
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