0798 - Der Hausmeister
Augenblick erinnerte er mich an einen Mann, der aufgegeben oder mit einem Teil seines Lebens gebrochen hatte. »Soll ich, ein Krüppel, mich einer Gefahr wie dieser stellen?«
Ich wusste Bescheid. Das nicht mehr vorhandene Bein war sein großes Problem. »Zehn Jahre meines Lebens würde ich dafür geben, die Prothese in die Ecke schleudern zu können, um sie gegen mein normales Bein auszutauschen.«
»Das verstehe ich.«
»Wäre ich voll dabei, John, hätte ich mich nicht an Sie zu wenden müssen. Nehmen Sie das bitte nicht persönlich, aber Sie wissen bestimmt, welchen Job ich früher hatte.«
»Ich weiß.«
Er hob die Schultern. »Deshalb habe ich ja so stark auf Ihr Verständnis gehofft.«
»Da wäre noch etwas«, sagte ich. »So ganz außen vorlassen möchte ich Sie nicht.« Ich lachte leise, als ich sein erstauntes Gesicht sah.
»Ich denke daran, dass Sie mich passiv unterstützen. Der Geist des Hausmeisters hat sich an Ihre Tochter Dinah gewandt.«
»Jaaaa – und?«, dehnte er.
»Ich möchte, dass Sie Dinah nicht aus den Augen lassen, wenn eben möglich.«
Er senkte den Kopf, tupfte wieder Schweiß von seiner Oberlippe und räusperte sich. »Meinen Sie, ich soll das Kind aus der Schule lassen?«
»Wäre das möglich?«
»Ja, schon, aber es gäbe Probleme.«
»Inwiefern.«
»Mit Anne, meiner Frau. Sie ahnt nicht einmal etwas. Allerdings lassen wir Dinah nie allein. Sie wird immer von der Schule abgeholt. Finden Sie denn, dass die Gefahr in unserer Wohnung nicht so groß ist?«
»Das kann ich schlecht beurteilen.«
»Immerhin hat es dieser Geist geschafft, auch in ihr Zimmer einzudringen.«
Ich nickte. »Das ist unser Problem. Es hätte auch keinen Sinn, wenn Sie Ihre Tochter aus London weg zu irgendwelchen Verwandten oder Freunden schicken, denke ich.«
»Stimmt. Wo dieser Geist hin will, da gelangt er auch hin. Ich stehe da im Regen. Was ich auch mache oder machen möchte, ich habe immer den Eindruck, dass es verkehrt ist. Sie sind meine Chance, John. Unsere Hoffnung, meinetwegen, und Sie könnten Dinah ja im Auge behalten, denke ich, wenn Sie sich schon am frühen Morgen um die Schule kümmern, wenn die Kinder Unterricht haben.«
»Bravo. Das ist eine Möglichkeit.«
Don Cavendish wirkte erleichtert. »Warten Sie.« Er griff in die Tasche. »Ich werde Ihnen ein Bild von Dinah mitgeben. Sie sollen die Kleine erkennen.« Er zupfte es aus seiner Brieftasche und reichte es mir über den Tisch hinweg.
Ich schaute mir die Fotografie an. Dinah war ein nettes Kind. Fröhliche Augen, ein lachender Mund, blonde Lockenhaare, ein richtiges kleines Püppchen. Kaum vorstellbar, dass sich dieses Kind in den Klauen eines perversen Widerlings und dessen Geist befunden hatte. Mir wurde die Kehle trocken, ich riss mich jedoch zusammen, weil ich den Vater nicht durch meine Reaktion beunruhigen wollte.
»Dinah kommt auf ihre Mutter«, erklärte er mir. »Zum Glück«, fügte er noch hinzu.
Ich steckte das Bild ein. »Ich denke, das ist es erst einmal gewesen, Don.«
Er fasste über den Tisch hinweg und ergriff meine beiden Hände.
»Verdammt, ich bin so froh, ich danke Ihnen schon jetzt, John, dass Sie sich darum kümmern und…«
»Bitte, nicht so voreilig. Ich bin weder Super – noch Wundermann.«
»Ist mir bekannt, aber ich kenne auch Ihre Erfolge.«
»Jeder Fall läuft anders.«
Don Cavendish winkte den Ober herbei und bat um die Rechnung. Die letzten beiden Stunden hatten ihn verändert. Er wirkte nicht mehr angespannt wie zu Beginn unseres Treffens. Hoffnung war in ihm aufgekeimt, das sah ich am Ausdruck seines Gesichts, und auch seine Augen zeigten dies an.
Er humpelte vor mir her, und ich sah; dass er die Zähne zusammenbiss. Mit dieser Behinderung würde er sich nie abfinden können, sie blieb stets eine Zäsur in seinem Leben.
»Wie setzen wir uns in Verbindung?«, fragte er, als wir über den Parkplatz schritten.
»Sie hören von mir.«
»Ist gut.« Erblieb stehen, reichte mir die Hand und bedankte sich noch einmal.
Ich bedankte mich für das Essen und wartete so lange, bis er in den Wagen gestiegen und abgefahren war. Es war nicht früh, aber auch nicht spät am Abend. Mir stand noch genügend Zeit zur Verfügung, um meinen Plan in die Tat umzusetzen.
Ich wollte mir die Schule einmal aus der Nähe anschauen…
***
Durch Southwark war ich gefahren und hatte auch die Nähe des Parks erreicht, wo ich die Schule finden würde. Langsam rollte ich durch ein enges Wohngebiet und auch am
Weitere Kostenlose Bücher