08 - Ehrenschuld
und hielt sie hübsch im Lot. Manche nannten ihn »Mister Machine«, denn bei seinen über sechzehnhundert Trägerlandungen
- jede wurde im Logbuch festgehalten - hatte er weniger als fünfzigmal das optimale dritte Kabel verfehlt.
Sachte, sachte, sagte er sich, drückte mit der Rechten vorsichtig den Knüppel zurück, während er mit der Linken das Gas wegnahm, immer die Sinkgeschwindigkeit im Auge, und ... genau. Er spürte den Ruck, als das Kabel - es mußte Nummer drei sein - die Maschine auffing und bremste, obwohl der Rand des abgewinkelten Decks so schnell auf ihn zukam, daß er meinen konnte, über die Kante zu kippen. Die Maschine kam zum Stehen, scheinbar nur Zentimeter von der Grenze entfernt, die den schwarzen Belag des Stahldecks von dem blauen Wasser trennte. In Wahrheit waren es eher dreißig Meter. Sanchez löste das Kabel aus, und es schnurrte an seinen Platz zurück. Einer von der Decksmannschaft gab ihm durch Winkzeichen zu verstehen, wie er dort hinkam, wo er hinsollte, und aus dem kostspieligen Düsenflieger wurde ein ausgesprochen schwerfälliges Landfahrzeug auf dem teuersten Parkplatz der Welt. Fünf Minuten später stellte Sanchez die Triebwerke ab, und nachdem die Maschine vertäut war, klappte er die Kabinenhaube hoch und kletterte die Stahlleiter hinunter.
»Willkommen an Bord, Skipper. Irgendwelche Probleme?« »Kein einziges.« Sanchez gab seinen Fliegerhelm ab und trottete los zur
Insel. Drei Minuten später beobachtete er die Landungen der anderen. Johnnie Reb war inzwischen der halbamtliche Spitzname des Trägers,
der seinen Namen einem Senator aus Mississippi verdankte, der ein treuer
Freund der Navy gewesen war. Das Schiff roch noch neu, dachte Sanchez,
es hatte vor gar nicht so langer Zeit die Docks von Newport News
Shipbuilding and Drydock verlassen. Nach den Probefahrten vor der
Ostküste war es um Kap Horn herum nach Pearl Harbor gedampft. Das
jüngste Schwesterschiff, die United States, würde in einem Jahr so weit
sein, daß man es erproben konnte, und ein weiteres wurde gerade auf Kiel
gelegt. Es war gut zu wissen, daß wenigstens ein Teilbereich der Navy noch
aktiv war, mehr oder weniger.
Die Maschinen seines Geschwaders landeten im Abstand von etwa
neunzig Sekunden. Zwei Staffeln von je zwölf F-14 Tomcats, zwei weitere
aus ebenso vielen F/A-18 Hornets. Eine aus zehn A-6E Intruders
bestehende Jägerstaffel mittlerer Reichweite, dann die speziellen Vögel,
drei E-3C Hawkeyes mit Frühwarnsystemen, zwei C-2 CODs, vier EA-6B
Prowlers ... Das wär's schon, dachte Sanchez, nicht so zufrieden, wie er
eigentlich hätte sein sollen.
Johnnie Reb hätte leicht weitere zwanzig Maschinen unterbringen
können, aber ein Trägergeschwader war auch nicht mehr das, was es früher
einmal war, dachte Sanchez in Erinnerung an die alten Zeiten, als es auf den
Trägern wirklich eng war. Die gute Nachricht war, daß die Maschinen jetzt
leichter auf Deck manövrieren konnten. Die schlechte Nachricht war, daß
sein Geschwader jetzt höchstens noch zwei Drittel seiner einstigen
Schlagkraft hatte. Die Marinefliegerei insgesamt war in schwierige Zeiten
geraten. Mit der Konstruktion der Tomcat hatte man in den sechziger Jahren
begonnen - Sanchez hatte damals überlegt, ob er auf die High-School gehen
sollte, und sich gefragt, wann es endlich soweit sein würde, daß er Auto
fahren durfte. Die Hornet hatte sich erstmals Anfang der siebziger Jahre als
YF-17 in die Lüfte erhoben. Die Intruder war in den fünfziger Jahren
entstanden, ungefähr in der Zeit, als Bud sein erstes Fahrrad bekommen
hatte. Gegenwärtig war kein einziges neues Marineflugzeug in
Vorbereitung. Die Navy hatte zweimal die Chance vermasselt, sich in die
Stealth-Technologie einzukaufen, zuerst, indem sie sich nicht am F117Projekt der Air Force beteiligte, und dann durch den Einsatz der A-12
Avenger, die zwar »stealthy« genug war, aber total fluguntauglich. So kam
es, daß dieser Jagdflieger, in dem man rasch den »kommenden Mann« für
ein frühes Kommando erkannt hatte, jetzt, nach zwanzig Jahren Einsatz auf
Flugzeugträgern, beim letzten und besten Kommando seiner Karriere über
weniger Schlagkraft verfügte als irgendeiner vor ihm. Das galt auch für die
Enterprise fünfzig Meilen weiter östlich.
Doch die Träger waren immer noch Königinnen der Meere. Selbst mit
verminderter Kapazität besaß die Johnnie Reb mehr Schlagkraft als zwei
indische Flugzeugträger zusammen, und Sanchez sah es nicht als eine
sonderlich schwierige
Weitere Kostenlose Bücher