08 - Ehrenschuld
Die Verbindung brach ab.
Ryan nahm sich Zeit. Seine Unbeherrschtheit, das wußte er, war schon immer sein größter Feind gewesen. Er beschloß, sich eine Pause zu gönnen, und holte sich einen Becher Wasser aus dem Automaten, der im Büro seiner Sekretärin stand. Foggy Bottom war einmal ein reizendes Sumpfgebiet gewesen, bis irgendwelche Idioten beschlossen hatten, es trockenzulegen. Schade, daß es damals nicht die Umweltschützer gab, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erzwungen hätten. Sie verstanden sich so gut darauf, Vorhaben zu behindern, und es war ihnen egal, ob diese Vorhaben nützlich waren oder nicht. Dadurch dienten sie dann hin und wieder dem Allgemeinwohl. Hier war das nicht der Fall, dachte Ryan, als er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte. Er nahm den Hörer von STU-6 ab und drückte die Kurzwahltaste des Außenministers.
»Guten Morgen, Mr. Secretary«, sagte der Nationale Sicherheitsberater freundlich. »Was wissen Sie über die gestrige Demonstration vor der Tokioter Botschaft?«
»Ich denke, Sie haben auch CNN gesehen, genau wie ich«, erwiderte Hanson, so als wäre es nicht die Aufgabe einer amerikanischen Botschaft, bessere Informationen zu beschaffen, als sie der Normalbürger zum Frühstück serviert bekam.
»Ja, in der Tat, aber ich hätte gern die Meinung des Botschafts-Personals gehört, vielleicht sogar die des Geschäftsträgers«, sagte Ryan, der jetzt ein wenig seine Verärgerung durchblicken ließ. Botschafter Chuck Whiting war vor kurzem aus politischen Gründen berufen worden, ein ehemaliger Senator, der sich in Washington als Anwalt betätigt und sogar japanische Wirtschaftsinteressen vertreten hatte; der Geschäftsträger war dagegen ein erfahrener Mann, ein Japan-Fachmann, der die japanische Kultur kannte.
»Walt hat entschieden, die Leute im Hause zu behalten. Er wollte nichts provozieren. Daraus mache ich ihm keinen Vorwurf.«
»Mag sein, aber mir liegt ein Augenzeugenbericht eines erfahrenen Auslandsagenten vor, der ...«
»Den hab' ich auch, Ryan. Er sieht ein bißchen zu schwarz, wie ich finde. Wer ist der Kerl?«
»Wie ich sagte, ein erfahrener Auslandsagent.«
»Hm, ich sehe, daß er den Iran kennt.« Ryan hörte das Papier rascheln. »Also ein Spion. Das hat wohl seine Sicht ein bißchen gefärbt. Wieviel Erfahrung in Japan?«
»Nicht viel, aber ...«
»Na sehen Sie, ein Schwarzmaler, wie ich sagte. Soll ich trotzdem mal anfragen?«
»Ja, Mr. Secretary.«
»Okay, ich spreche mit Walt. Sonst was? Ich stecke auch in den Vorbereitungen für Moskau.«
»Machen Sie ihnen Beine, ja?«
»In Ordnung, Ryan. Dafür sorge ich. Aber jetzt ist dort schon Nacht, okay?«
»In Ordnung.« Ryan legte den Hörer auf und fluchte: Er darf den Botschafter nicht wecken. Er hatte mehrere Optionen. Meist wählte er die direkteste. Er hob sein Tischtelefon ab und drückte den Knopf für die persönliche Sekretärin des Präsidenten.
»Ich muß kurz mit dem Chef sprechen.«
»In dreißig Minuten?«
»In Ordnung. Vielen Dank.«
Die Verzögerung wurde erklärt mit einer Zeremonie im East Room, die auch auf Ryans Terminkalender stand, die er aber vergessen hatte. Sie war einfach zu groß für das Oval Office, was den Sekretariatskräften sehr gelegen kam. Zehn Fernsehkameras und gut hundert Journalisten sahen zu, wie Roger Durling seine Unterschrift unter den Trade Reform Act setzte. Die besondere Natur dieses Gesetzes erforderte mehrere Füllfederhalter, einen für jeden Buchstaben seines Namens, wodurch die Unterzeichnung zu einer langwierigen Prozedur wurde. Den ersten Füller bekam natürlich Al Trent, der den Gesetzentwurf eingebracht hatte. Die anderen gingen an Ausschußvorsitzende von Repräsentantenhaus und Senat sowie an ausgewählte Vertreter der Minderheitspartei, ohne deren Unterstützung das Gesetz nicht so schnell durch den Kongreß gekommen wäre. Es gab den üblichen Applaus, das übliche Händeschütteln, und in das Gesetzbuch der Vereinigten Staaten wurde ein neuer Eintrag aufgenommen. Der Trade Reform Act war damit Bundesrecht geworden.
Auch der japanische Sender NHK hatte ein Team geschickt. Es wirkte bedrückt. Als nächstes würden sie zum Handelsministerium fahren und die Juristen interviewen, die die japanischen Gesetze und Vorschriften mit dem Ziel untersuchten, rasch entsprechende Regelungen auf amerikanischer Seite einzuführen. Es sollte eine ungewöhnlich lehrreiche Erfahrung für die ausländischen Journalisten werden.
Chris Cook hatte, wie die meisten
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