08 - Ehrenschuld
sechs Monate nach derzeitigem Stand.
Warte mal, Jack.« Ryan hörte Gemurmel und Papiergeraschel. »Eine
Sekunde, da ist gerade was Neues gekommen.«
»Ich warte.« Ryan nippte an seinem Kaffee und überlegte sich wieder,
wie spät es sein mochte.
»Jack, was Schlimmes. Wir haben ein SEBMISS/SUBSUNK bei der
Pazifikflotte.«
»Was hat das zu bedeuten?«
»USS Asheville, ein neues Boot der 688er-Klasse, die BST-3Funkboje
hat Notsignal ausgesandt. Stennis hat einen Vogel hingeschickt, um
nachzusehen, und ein Zerstörer ist dorthin unterwegs. Das sieht nicht gut
aus.«
»Mannschaftsstärke? Um die hundert?«
»Mehr, Jack, eins-zwanzig, eins-dreißig. Oh Scheiße. An das letzte Mal,
daß so was passiert ist, erinnere ich mich nur zu gut.«
»Hatten wir nicht 'ne Übung mit ihnen laufen?«
» DATELINE PARTNERS , ja, ging gestern zu Ende. Bis vor ein paar
Stunden schien alles gut zu laufen. Dann ging auf einmal der Schlamassel
los ...« Jacksons Stimme verlor sich. »Noch eine Meldung. Stennis hat einen
Hoover losgeschickt ...«
»Was?«
»S-3 Viking, Anti-U-Boot-Vogel. Vier Mann Besatzung. Sie haben
keine Überlebenden von dem Boot gefunden. Scheiße«, fügte Jackson
hinzu, obwohl es keine sonderlich überraschende Mitteilung war. »Jack, ich
hab' hier noch einiges zu tun, okay?«
»Verstanden. Halte mich auf dem laufenden.«
»Wird gemacht. Ende.« Die Verbindung wurde unterbrochen. Ryan trank seinen Kaffee aus und warf den Plastikbecher in einen am
Boden festgeschraubten Abfalleimer. Es hatte noch keinen Zweck, den
Präsidenten zu wecken. Durling würde seinen Schlaf brauchen. Zu Hause
erwartete ihn eine Finanzkrise, eine politische Schweinerei, möglicherweise
ein heraufziehender Krieg im Indischen Ozean, und nach diesem verdammt
blöden Zwischenfall im Pazifik würde sich die Situation mit Japan nur noch
mehr verschlechtern. Durling hatte Anspruch auf ein bißchen Glück, oder
nicht?
Zufällig fuhr Oreza einen weißen Toyota Land Cruiser, ein Fahrzeug, das man auf der Insel häufig antraf. Er war mit seinem Chartergast auf dem Weg dorthin, als zwei andere Wagen genau derselben Art in den Parkplatz des Bootshafens einbogen. Sechs Männer stiegen aus und steuerten direkt auf sie zu. Der ehemalige Command Master Chief blieb wie angewurzelt stehen. Er war, nachdem er Burroughs vorher am Hotel abgeholt hatte, kurz vor Tagesanbruch von Saipan aufgebrochen, um leichter an die Thunfische heranzukommen, die frühmorgens auf Beutefang waren. Auf der Fahrt zum Hafen herrschte zwar etwas mehr Verkehr als sonst, aber im übrigen war alles normal gewesen.
Das war jetzt anders. Jetzt kreisten japanische Jagdflieger über der Insel, und nun kamen sechs Männer in Kampfanzug und mit Pistolengürtel auf ihn und seinen Chartergast zu. Es war wie im Film, dachte er, wie in einem dieser verrückten TV-Filme aus der Zeit, als die Russen noch eine echte Gefahr waren.
»Hello, wie war der Fang?« fragte der Mann, der ein Fallschirmjägerabzeichen auf der linken Brusttasche trug und, wie Oreza erkannte, Hauptmannsrang hatte, lächelnd und überaus liebenswürdig.
»Ich habe einen Riesenthunfisch an Land gezogen«, sagte Pete Burroughs, dessen Stolz durch die vier Biere, die er inzwischen intus hatte, noch verstärkt wurde.
Das Lächeln intensivierte sich. »Ah! Kann ich ihn sehen?«
»Natürlich!« Burroughs führte sie zum Kai hinunter, wo der Fisch noch immer kopfüber an der Winde hing.
»Ist dies Ihr Boot, Captain Oreza?« fragte der Soldat. Nur einer der Männer hatte den Hauptmann begleitet. Die anderen schauten aufmerksam aus der Ferne herüber, als hätten sie Befehl, nicht zu - ihm, nicht zu aufdringlich zu sein, dachte Portagee. Ihm fiel auch auf, daß der Offizier sich die Mühe gemacht hatte, seinen Namen in Erfahrung zu bringen.
»Stimmt, Sir. Möchten Sie vielleicht ein bißchen fischen?« fragte er den Mann mit einem arglosen Lächeln.
»Mein Großvater war Fischer«, erklärte ihnen der ishii.
Portagee nickte und lächelte. »Meiner auch. Familientradition.«
»Eine lange Tradition?«
Oreza nickte, während sie zur Springer kamen. »Über hundert Jahre.«
»Ah, ein schönes Boot haben Sie da. Darf ich es mir mal ansehen?«
»Klar, springen Sie an Bord.« Portagee ging voran und winkte ihn herüber. Der Feldwebel, der mit seinem Hauptmann hinuntergegangen war, blieb mit Mr. Burroughs am Kai stehen, etwa zwei Meter Abstand haltend. Im Halfter steckte eine Pistole, eine SIG P22O, die beim japanischen Militär übliche
Weitere Kostenlose Bücher